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und Foto: Stefan Jahnke
Leseprobe - Hohburg - Ein Schatz und seine Hüter
Prolog
Überall Blaulicht. Wenigstens sind die Sirenen nun schon aus. Das war vor einer Stunde noch anders. Und doch kehrt keine Stille ein. Nichts ist da mehr von der Ruhe und Beschaulichkeit. Die Touristen, die hier gern entspannen, wenn sie das Jagdschloss drüben auf der Insel im See besichtigt haben und ihre Füße vom vielen Parkett und Steinboden etwas Ruhe brauchen, die sind verschwunden. Dafür diese Lichter und viele der rot-weißen Bänder.
Wie lange kam ich schon nicht mehr hierher?
Ich glaube, ich war fast noch ein Kind.
Damals wanderten wir oft von Friedewald hier herüber oder fuhren mit der Kleinbahn von Radebeul durch den Grund. Manchmal mussten wir auch den völlig überfüllten Bus nach Dresden nehmen …
„Kommissar Zech, wo sind Sie denn?“
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen.
Dieser kleine schwabbelige Kerl… und doch so ein guter Pathologe. In all den Jahren… wie viele sind es jetzt? Gut zehn? … wir haben es einfach nicht geschafft, uns einmal irgendwann das Du anzubieten. Dabei sind wir etwa gleichaltrig.
„Herr Knauber, entschuldigen Sie… Ich bin wohl etwas ins Sinnieren gekommen.“
Ich schaue auf den See, von dessen Anblick ich mich kaum zu lösen vermag. Knauber sieht einmal kurz hinüber, schüttelt den Kopf und sein Blick streift mich vernichtend. Dann scheint er sich zu fangen, denn immerhin bin ich hier der ranghöchste Beamte vor Ort… und damit auch sein Chef.
„Also… was ich jetzt sagen kann… Es ist ein Mann, Mitte, Ende Dreißig und sehr gut gekleidet. Hat ihm aber nichts genützt!“
Soll das eine Anspielung auf meinen Anzug sein? Vielleicht! Zumindest könnte sich Knauber auch einmal etwas Neues leisten. Manchmal sieht er aus, wie ein verkommenes Subjekt. Pathologe eben…
„Und wie ist er gestorben?“
Fast hilflos klingt meine Frage. Knauber scheint nicht genauer hingehört zu haben und will nur schnell und pflichteifrig alles erzählen, was er herausfand.
„Das Genick ist gebrochen, aber er ist nicht gestürzt. Da wären dann Abschürfungen überall… zumindest am Kopf und im Nacken oder am Rücken… wenn man da aufschlägt. Und er hat noch gelebt nach dem Genickbruch. Er versuchte wohl, sich irgendwohin zu schleppen… auf dem Boden entlang… bis das Leben aus ihm wich. Das sagen zumindest die Spuren und die fatale Lage seines Kopfes. Doch viel mehr konnte ich noch nicht herausfinden.“
Na, das klang doch schon nach einer ganzen Menge.
Ausweis, sonstige Papiere oder gar einen Autoschlüssel, Hinweise auf einen Namen oder das, was ihn hierher führte… zumindest ist jetzt wohl nichts davon zu sehen.
Ich war noch nicht am Tatort.
Zu sehr wühlte mich auf, dass Petra und ich uns gestern trennten und wir doch gerade dieses Wochenende zur Hengstparade hierher nach Moritzburg kommen wollten.
Ich bin hier, Petra… Nur Du nicht. Und so, wie wir uns gestern gestritten haben, da wird es wohl eine Weile dauern, ehe wir überhaupt über all dies sprechen und vielleicht eine Lösung für uns finden.
„Wo ist der Tatort?“ Diese Frage kommt für Knauber völlig überraschend, der schon wieder zu überlegen scheint, was man vielleicht noch aus diesem oder jenem Gesehenen ableiten könnte.
„Waren Sie noch nicht dort? Na, dann aber…“
Fast Entsetzen war in seinem Blick. Gut, wenn Petra gestern nicht… Nein, genug davon… Ich muss diesen Fall bearbeiten, und wenn ich das nicht gleich tue, dann werde ich wohl nicht nur Petra verlieren! Ist es nicht komisch? Wie oft hat sie mir Vorwürfe wegen meiner Arbeitszeiten, der vielen Nachteinsätze und überhaupt meines Jobs wegen gemacht… und nun, da wir uns verkracht haben…
Ich stapfe auf den Waldeingang zu.
Hier, so glaube ich, bin ich sicher noch nie entlang gegangen.
Was sagte Knauber? Hohburg… Nie gehört… Moritzburg… natürlich! Aber Hohburg? Nein, die kenne ich nicht. Und da meine Mutter immer sehr interessiert an Vielem war, hätte sie von dieser Burg sicher gehört, uns als Kinder dorthin gejagt und auch Vieles über die zugehörige Geschichte gesucht... und gefunden.
Wo muss ich entlang?
Nun, der Vorzug, den ein leitender Beamter in solch einem Fall hat, ist, dass er sich meist nur den rot-weißen Absperrbändern hingeben, ihnen folgen muss. So ich auch.
Nicht weit, dann biegt der Weg nach links ab. Dort vorn stehen Beamte, da scheinen alle zu versuchen, sich ein Bild von der Sache zu machen. Und da ist auch Max, der wie immer versucht, alles unter Kontrolle zu halten… um dann doch noch mehr Chaos anrichtet.
Ah, jetzt hat er mich gesehen.
„Chef, Chehef!“
Mit wild fuchtelnden Armen kommt er auf mich zugelaufen.
„Chef…“
Er ist fast außer Atem, doch er fängt sich wieder.
„…Chef, er ist tot!“
Nun, das ist eine Aussage, mit der ich erst einmal leben kann… bei einem Mordfall.
„Fasse Dich, Max… Erzähl, was Du weißt… Knauber hat schon einiges berichtet, aber vor allem… Wo ist diese Hohburg?“
Max sah mich völlig entgeistert an.
„Eine Burg? Hier nicht! Hier ist nur ein Tunnel. Ein langer Tunnel… Und alt muss er sein. Und unheimlich dazu. Brrr!“
Er schüttelt sich.
„Vielleicht ist der Kerl einfach nur durch einen Schock gestorben!“
Tunnel… das wurde ja immer mysteriöser.
Wo soll denn hier in dieser ebenen Gegend ein Tunnel sein …
Ich stutzte…
Das kann doch nicht…
Der Herbst hatte schon eine Menge Blätter verschwinden lassen. Wie Skelette standen die Bäume am Wege… Und da sah ich ihn …
„Gibt’s das denn?!“
Verwunderung… Ja, ich wundere mich schon ganz schön.
Da war tatsächlich ein Höhleneingang. Auch noch groß. Ich weiß nicht, warum ich darauf kam, aber ich dachte sofort, dass da sicher selbst eine Kutsche hindurch passen würde.
Max konnte jetzt reden wie ein Wasserfall. Ich ließ ihn stehen und ging die kleine Steigung, den etwas nach oben führenden Weg hinauf.
Nein, das war keine Höhle… das war wirklich ein Tunnel! Groß und lang, von den Jahren und der Witterung gezeichnet und nicht mehr mit dem ebensten Boden. Aber gut, ja. Sogar sehr gut erhalten.
Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte musste er alt sein. Wer, ja wer nur würde schon in der heutigen Zeit einen Tunnel hier durch den Berg brechen? Verrückt!
Ich wollte gerade hinein gehen, da hielt mich Max zurück.
„Halt, Chef… er liegt gleich hier. Tritt nicht auf ihn!“
Ich sah nach unten. Direkt vor mir war da eine dunkle, fast steingraue Decke. Darum hatte ich sie beim flüchtigen Hinschauen nicht gesehen. Und ich stand nur wenige Zentimeter davor.
Superdetektiv! Nun, fass Dich mal wieder, Frank. Der Tunnel ist nicht Alles… Und erkunden kannst Du ihn später!
Ich kniete mich nieder, warf die Decke vom vermeintlichen Kopfende zurück und blickte…
Nein…
Noch einmal war ich fassungslos.
Das ist doch dieser Selbig… Holger von Selbig, der Wirtschaftsmagnat. Gut, nicht jeder mag den Kerl und ich hatte das vielleicht zweifelhafte Vergnügen, ihn erst vor ein paar Monaten bei einem Empfang des Polizeichefs kennenzulernen. Aber er war anders, als man es ihm nachsagte. Nicht durchtrieben. Nicht der Wessi nach außen.
„Wir wissen nicht, wer es ist, aber er muss eine gute Kinderstube gehabt haben!“
Max zeigte mir die Fingernägel, die nicht nur perfekt manikürt, sondern auch noch mit irgendeinem Zeug überzogen waren… Ich vermutete, damit die Nägel nicht brüchig werden.
Ebenso der Haarschnitt… zumindest das, was nicht von Dreck und etwas Blut besudelt war… Alles perfekt.
„Anzug aus Mailand. Natürlich Maßanfertigung. Friedrich will gleich die Schneidereien da durchgehen und alle kontakten. Vielleicht kennt den ja dort jemand!“
Ich kann nicht anders, setze ein gequältes Lächeln auf.
„Das könnt Ihr Euch sparen. Ich kenne den Typen!“
Alle ringsum horchen auf und sehen zu mir.
„Sagt Dir 'von Selbig' etwas? Holger von Selbig?“
Erst einmal schaue ich in fragende Minen.
„Der Wirtschaftsmann, der bei Sicon einsteigen wollte und fast alle Arbeitsplätze garantierte!“
Langsam kommt Bewegung in die Leute. Ja, von dem hatten sie gehört. Und doch… wer bringt denn so einen um? Der hätte doch eher einen Orden verdient, als den Tod!
„Also, Fotos sind sicher gemacht… Alles wurde abgesucht hier im Tunnel. Und dann noch alles ringsum. Ist er mit dem Wagen gekommen? Wohnt er hier…?“
Dda fiel es mir ein. Er wohnte doch drüben… In diesem Gasthof mit dem eigentümlichen Namen. Adam… ja, Adams Gasthof.
„Und gleich drei Mann zu Adams Gasthof. Da hat er gewohnt. Überprüft das und durchsucht sein Zimmer dort!“
Max sollte noch nach Angehörigen fahnden. Irgendjemand musste ja benachrichtigt werden… nahm ich zumindest an.
Alle schwärmten aus und Knauber sah mich sogar etwas dankbar an, denn nun hatte er Ruhe, sich die Leiche noch einmal richtig und in Ruhe anzuschauen, ehe sie in die Blechbox kam und nach Dresden ins Uniklinikum gefahren wurde. Wie sagt er immer so schön? ‚Eine Leiche verrät Vieles auf dem Obduktionstisch, aber noch viel mehr da, wo man sie fand … Zumindest dann, wenn sie auch dort starb!’ Ja, der alte Knauber… Was heißt alt…? Wir sind fast gleichaltrig!
Nun waren die meisten meiner Mitarbeiter schon unterwegs nach Dresden. Zwei durchsuchen noch den Gasthof und die ganze Schar der fleißigen Ameisen hat den Platz um den Tunnel übernommen.
Sie müssen nach jeder Kleinigkeit suchen und alles so herrichten, dass die normalen Sensationstouristen keine Motive für ihre blutrünstigen Fotos haben. Ein Wunder fast, dass die Presse noch nicht hier ist!
Ein Wirtschaftsmagnat… Und auch noch einer, der Sicon übernehmen wollte. Einen der größten Arbeitgeber der Region…
Werde ich in Dresden gebraucht? Ich habe Max alles gesagt, ihm Anweisungen gegeben und auch Friedrich mit ein paar Recherchen beauftragt. Das müsste reichen. Wenn die Spur zum Täter noch frisch sein sollte… dann bleibt sie das auch, wenn ich es mir jetzt gönne, einmal durch diesen Tunnel hindurch zu gehen.
Kalt ist es drinnen. Gut, wir haben Herbst und sicher wird es dieses Jahr einen ordentlich kalten Winter geben. Trotzdem… der Felsen scheint viel Kälte zu speichern.
Ich gehe bis zur Mitte des Tunnels. Da ist rechts ein Abzweig. Wie ein zusätzlicher Raum.
Max drückte mir seine Taschenlampe in die Hand, ehe er nach Dresden zurückfuhr. Er weiß sicher genau, dass ich mir dies hier heute nicht entgehen lasse.
Ruhig trete ich im Licht der Lampe auf den kleinen Raum zu, leuchte hinein…
Plötzlich ein Gekreisch und Geflatter…
Ich fahre zurück. Schreck…
Dann sammle ich mich.
Fledermäuse.
Nun gut. Sollen sie hier leben.
Ich glaube, wenn man mich jetzt sehen könnte… etwas fahler ist mein Gesichtsausdruck sicher!
Ich gehe weiter.
Drüben neben dem Ausgang steht ein verfallenes Gebäude. Was das wohl war? Keine Ahnung! Zumindest ist es jetzt nur noch ein unschöner Rest historischen Mauerwerks.
Hohburg.
Wieso Hohburg?
Nun, vielleicht bekommt Friedrich etwas heraus. Im Recherchieren ist er ein As! Zumindest hat er mich noch nie enttäuscht, und das wird er auch jetzt nicht tun!
Gedankenversunken laufe ich nun den Berg hinauf, unter dem der Tunnel hindurchführt. Hoch ist das alles nicht. Nur eine Kuppe… aber eben eine Felskuppe mit vielen Bäumen und einer Unmenge an Laub. Da kann man herrlich rutschen! Zum Glück habe ich meine Trekkingschuhe an. Damit komme ich auch ohne Rutschen voran!
Ausblick? Vielleicht früher einmal! Heute ist jeder ältere Baum im Umkreis höher, als diese Kuppe, und ich sehe… Bäume... und wenig später auch die Absperrbänder und Mitarbeiter.
Vorsicht. Da geht es steil hinunter. Ist wohl der Tunneleingang unter mir?
Vertrackte Sache!
Aber zu sehen… Nun, zu sehen gibt es hier nichts.
Ich stolpere über einen Stein. Auf einer Felskuppe sicher nichts Besonderes… wenn da nicht…
Nein… das ist kein einfacher Stein am Felsen. Hier war etwas… das sieht gerade aus!
Ich erkenne eine Form. Ein Viereck. Unter dem Laub.
Eine Ahnung? Nun, irgendwo muss ja die Hohburg gestanden haben.
Zumindest könnte das hier ein Teil davon gewesen sein.
Friedrich soll sich kümmern.
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