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und Foto: Stefan Jahnke
Leseprobe - Unterdrückt
Kapitel 2 - Die Neuen sind Sieger (Auszug)
"Herr, vergebt mir. Aber niemand hat bisher daran geglaubt, dass Meißen uns nicht gut gesonnen ist. Der Markgraf gab uns alle Sicherheiten und auch der Bischof stellte uns doch gerade einen Kaplan ab, damit er die neue Kirche würdig als Pfarre übernehme."
Der Dorfschulze, ein feister Mann, der hier als Bäcker das beste Brot macht und dessen Kinder sich mit dem sauren Wein der Umgebung beschäftigen, der steht vor mir und fordert, dass ich alle Rechte der Dörfler aufrechterhalte, wie sie ihnen ihr alter Herr gab.
Zum Glück trat der ohne Murren ab. Drei Monate ist das nun fast her. Der Sommer geht zur Neige, die ersten Stürme zeigen an, dass der Herbst sich dieses Jahr nicht lange an uns zu schaffen macht, sondern schnell dem Schnee Platz bieten wird.
"Wie stellst Du Dir das vor, Schulze? Ich habe dieses Dorf und die Umgebung, muss mich nun auch noch mit den neuen Herren an den Grenzen beschäftigen und Ihr fordert, dass ich all diesen Leuten hier soviel von ihrer Ernte lasse? Was denkst Du denn, wie der Kurfürst und der Bischof sich über all das freuen? Die schicken uns schneller einen Haufen her, der Ordnung macht und sich auf keinem Fall an mir oder meinen Männern vergeht, sondern an Deinen Leuten… Und dann? Ich bin rechtmäßiger Herr. Die Hälfte vom Feld, ein Drittel vom Wald und natürlich auch ein Viertel von jeder erfolgreichen Jagd… Das ist nicht zu viel. Das weißt Du genau!"
Der Schulze steht da, ganz rot. Wenn er könnte, wie er nur wollte, dann hätte ich seine knorrigen Hände schon an meinem Hals und müsste mich meines Lebens erwehren… Aber er weiß, dass sein Tod, der dann vereinbart sein muss, niemandem hier etwas nützt.
"Also… bring mir erst einmal die ganzen Weinvorräte. Das Zeug ist sauer. Gut. Aber es erfrischt. Und Du kannst Deinen Söhnen gleich sagen, sie sollen im nächsten Jahr mehr Sonne auf die Trauben scheinen lassen. Gerade Ihr alle kennt Euch doch mit Wein und diesem Werk darum sehr gut aus, oder?"
Er schluckt, beruhigt sich langsam.
Den Wein… dass ich nun gerade den als Erstes fordere, versteht er sicher nicht. Ich muss meine Leute ein wenig in Schach halten. Dieses Gesöff, das schon nach dem dritten Becher schlaff macht, kann dazu ein guter Anfang sein.
"Gut Herr. Ich hoffe, ich kann alle überzeugen. Aber die Steuern und Abgaben… Schützt Ihr uns dann wenigstens vor den Steuereintreibern Böhmens?"
Wie meint er das denn nun?
Als wäre ich nicht von dieser Welt, sieht er mich an. Das ist fast eine Frechheit.
Die Hütte, die ich vorerst als meinen Amtssitz freimachen ließ und die ich natürlich an diese Witwe zurückgebe, wenn mein Haus für den Winter fertig ist, die wirkt immer klein. Ja, ich bin die Burgen meines Vaters gewohnt, die Bruno nun allein bewirtschaften darf. Wenn ich mir die Steine, die Hölzer und die Weiten ansehe, die wir hier zur Verfügung haben, will ich ihn schon gar nicht mehr beneiden. Unordnung… für die bin ich selbst verantwortlich und ich sollte mir eine Hilfe ins Haus nehmen. Vielleicht unsere kleine Slawin, die nun seit einigen Tagen hier im Ort versucht, sich über Wasser zu halten. Denn ich bin weder ihre Familie, noch ihre Amme… Sie sollte sich schon allein dafür verdingen…
Verdingen… nun ja… vielleicht… Ich bin auch nur ein Mann und sie ist allein. Immer noch. Nicht einmal versuchte sie, nach diesem Schandau zurückzukommen. Vielleicht hat sie dorthin nicht die besten Erinnerungen?
"Also, Schulze… den Wein… Und sag der Heidrun Bescheid… Sie soll zu mir kommen. Mach es offen. Ich mag kein dummes Gerede!"
Der Mann sieht mich an, als wäre ich… ja, das kann er. Immer wieder tut er das. Ist es die Dummheit, die man den Franken nachsagt? Wein im Kopf und nicht mehr? Ich weiß es nicht. Die Böhmen. Der muss mir noch… Über diese Heidrun vergesse ich doch, was ich wissen wollte. Und darum hat er sicher allen Grund, mich genauso anzusehen.
"Ach ja, und vorher… was ist das mit den Böhmen? Hüte Deine Zunge… ich bin ein Böhme. Ich hoffe, Du weißt das!"
Etwas schüchtern, wie es doch gar nicht seine Art ist, schaut er noch einmal halb herausfordernd um sich, obwohl wir allein zu zweit hier drinnen sind… Die Unordnung… Warum schäme ich mich nun gerade darum? Am Tage komme ich nicht dazu und in der Nacht… sollte man bei diesem Durcheinander, was ich vom Ronald von Sebnitz übernommen habe, auch ein wenig Nachsicht mit mir haben.
"Böhmen erheben doch im Kursächsischen keine Steuern. Und Zinsen oder ein Lehensgebiet… Der Bischof gab mir dieses Land hier zum Lehen. Nicht umgekehrt. Das verstehe ich nicht. Auch wenn ich der Herr bin. Erklär es mir!"
Herausfordernd setze ich mich auf das leere Fass, das ich mir noch sichern konnte, was eben auch nicht zu lange reichte, und warte, was mir der Dorfobere nun erklären will. Gerede wird es sein… Nur Gerede. Dafür sind sie doch alle bekannt… und ich gebe mich auch noch damit ab. Schande über mich!
"Ach Herr…"
Der Schulze setzt sich bequem, obwohl ich ihm keinen Anlass gab, dass er dies auch nur andenken solle. Er ist ein von sich und der Macht des Dorfes überzeugter Mann. Soll er es tun!
"Der König und der Kurfürst. Dazu noch ein Markgraf und ein Bischof. Und über allen steht der Kaiser, den sie doch alle lieben und fürchten. Aber untereinander weiß der eine nicht, was der andere tut. Und das tut manchmal richtig weh."
Ja, natürlich. Ich verstehe den Mann nicht. Müsste ich das?
"Als wir damals hier ankamen, war überall nur Wald. Ein paar Lichtungen. Mehr konnten wir nicht finden. Und einige von uns sind gestorben, weil sie sich zu eifrig in den Wald aufmachten, eine Lichtung vor sich dachten und dann in den Schlund, irgendwo in eine Schlucht fielen, vielleicht auch vom Teufel geholt wurden. Verrückte Zeiten waren das… Felsen und solche Schluchten mitten in einem Wald… das konnte man nicht gut erkennen."
Ja, fein.
Ich selbst hatte da auch schon Erlebnisse… bis hin zu einer Magd, die sich heimlich hinter einem Busch versteckt und dann nicht einmal vor dem Davonrennen haltmacht, wenn sich ein Bär in der Nähe befindet. Wie es dem wohl jetzt geht? Der Franjo tat sich in den wenigen Tagen, die wir nicht bei ihm waren, gütlich daran. Und er sagte nichts zum Fell, das er sich nun schon in sein Wams hat arbeiten lassen… Das dickere natürlich… für den Winter.
"Ja, damals war alles noch in Ordnung. Wir waren Wochen unterwegs, mussten alles entbehren und unser Herr versprach uns sicher mehr, als wir jemals an solch einem Ort wie hier finden konnten. Aber wir nahmen diese Bürde auf uns, denn der Markgraf schenkte uns für einige Jahre die Abgaben, die Ihr nun von uns fordert…"
Ist da schon wieder ein Vorwurf?
Wenn das so weiter geht, sollte ich mir diesen Schulzen noch einmal richtig vornehmen. Der wird mir noch mit vollem Wissen und gutem Gewissen meinen guten Ruf verderben!
"Nein, Herr… das meinte ich nicht!"
Mein Blick, sicher nicht zu freundlich, der hat ihm gerade nicht gefallen. Und doch…
"Wir sind eben die Leute zweier Herren… nicht des Bischofs und des Markgrafen, wie man es wohl noch ein wenig verstehen könnte. Nein… die von Meißen und Böhmen. Und das macht uns… arm! Und nun kommt Ihr, ein Böhme, und sagt uns, dass man die Abgaben erhöhen muss, weil doch der Markgraf von Meißen… Ihr versteht?"
Nein, immer noch nicht. Was hat der König der Böhmen mit diesem Flecken hier zu tun?
"Das ist so verrückt, wie auch einfach, Herr!"
Ja, Mann, dann löse bitte endlich dieses Geheimnis für mich. Ich bin ganz Ohr und voller Erwartungen…
"Also, als wir damals in diese Gegend kamen und sie vollständig unbewohnt war… na ja, nicht so ganz. Es gab einige kleine Weiler. Und die bekamen dort gleich mit, dass wir ankamen. Natürlich wollten die erst einmal sehen, wer wir waren, was wir hier wollten und so weiter. Aber dazu hatten wir keine Zeit. Ewiges Gerede, lange miteinander über dieses und jenes verhandeln… das hält man doch nicht im Kopf aus! Also wollten wir die Slawen… ja, die waren solche Elbslawen, wie man die nannte, versperrten gern mal unseren Zugang zum Wasser… die wollten wir nicht mehr hier sehen und sagten ihnen das auch gleich."
Dumm… die sind die Einzigen… waren… Na ja, er wird das sicher nicht getan haben, denn seine Eltern oder Vorväter waren es wohl, die hier ankamen und sich mit denen verstritten.
"Taten wir nicht. Doch sie rannten gleich zu ihren Herren. Zumindest zu denen, die sie über sich sahen und akzeptierten. Unseren Ritter und auch die Meißner sahen sie als ein notwendiges Übel, aber nicht als die Besitzer des Landes und damit auch ihre Herren an. Dumm eben… Wie Ihr schon sagtet!"
Quatsch. Ich meinte ihn mit Dumm.
Nun gut. Was geschah dann?
"Wir lebten und bauten unser Dorf auf. Das war wichtig, denn der Winter würde nicht lange auf sich warten lassen. Zum Glück kam er nicht so, wie wir ihn bei Lichtenfels kannten. Hart und lang… den hätten wir wohl nicht einmal mit jedweder Unterstützung des Markgrafen überstanden. Und der schützte uns wirklich… schickte noch Korn, dass wir unsere wenigen Vorräte für Brot verwenden konnten und doch die Aussicht blieb, die Saat in den Boden zu bekommen. Aber es reichte trotz allem irgendwie nicht. Und mit der Sicherheit… der Markgraf focht an vielen Ecken im Lande… dazu noch für den Kaiser. Da war kaum Schutz zu erwarten, wenn er nicht seine Burg völlig preisgeben wollte. Und wir konnten nicht erwarten, dass er uns so entgegenkam, wie diesen Dörflern weiter im Süden. Denn wenn wir auch noch so im Felsen und im Boden suchten… Außer blutigen Händen, Dreck und Stein war nichts zu finden. Kein Silber und damit auch kein weiterer Schutz. Leider. Aber meine Vorfahren schafften es trotzdem, den Mut nicht zu verlieren."
Gut. Was war nun mit den Böhmen?
"Ja, die schickten eine Abordnung. Vier Bewaffnete, die hier richtig für Angst und Schrecken sorgten. Und wir ließen uns alle einlullen. Von ihnen und der Unentschlossenheit unseres Ritters."
Zustände, die es nun hoffentlich nicht mehr geben wird. Wie kommen die Böhmen nur darauf, hier Steuern zu erheben, und warum wussten Bruno und unser Vater nichts davon? Ja, Vater konnten wir nicht mehr fragen. Aber Bruno, der doch in alle Geschäfte unseres Alten eingeweiht wurde, ehe der von uns ging. Der hätte uns zumindest eine Warnung zukommen lassen können…
Oh, ich weiß… ich glaube zu wissen… Na ja, es ist nicht einfach. Der Herzog auf dem Karlstein beim alten Prag kann nicht gut auf uns zu sprechen sein. Denn wir holten keine Order, keine Genehmigung von ihm ein. Ich nicht… und meine Brüder auch nicht. Ob wohl Bruno nichts anderes zu tun hatte, als ihm zu erzählen, was wir vorhatten? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und doch… ein wenig Neid war in seinem Blick, als ich mich von ihm verabschiedete und ihm bedeutete, dass ich all seine Ritter, die er mit seinen Brüdern als ehrbare und zu ihm stehende Männer kannte, mit mir nehme. Geschworen haben sie nicht auf ihn. Damit begingen sie keinen Frevel oder Wortbruch. Sie werden ihn sicher ausstechen, wenn wir erst hier in der Umgebung Fuß gefasst haben.
"Gut denn, Schulze… schick' mir nun endlich die Heidrun... und ich will auch meine Brüder sprechen. Sag ihnen Bescheid. Sie haben mir einen Dienst zu erweisen. Und sie sollen sich auf eine Reise vorbereiten."
Der Mann springt auf. Zu lange schon saß er wohl bei mir und hat nun Angst, man könnte ihn als zu mir übergelaufen betrachten. Was sich diese Dörfler hier einbilden! Ohne meinen Schutz wären sie nun unter irgendeines Ritters Macht, und was der mit ihnen anstellte… Na ja, der Ronald war schon bereit zu gehen. Ob er sich anderswo noch einmal niederlassen kann? Nicht unter dem Markgrafen. Vielleicht zieht er gen Thüringen…
An andere Konstellationen mag ich nicht denken. Nein, er wird doch sicher nicht gegen uns sein und… a
Ach was, dieser blonde Kerl kann sich nicht mit unserem König, Herzog und Herrscher verbünden. Und selbst wenn… Der auf dem Karlstein wird schnell begreifen, dass wir schließlich alles nur für ihn tun… nicht für uns. Für ihn… Na ja… auch für uns. Er kann sich wieder mitten im Kurlande einnisten. Das ging bisher nur mit Verrat und ein wenig List. Diese beiden Dinge sind nun nicht mehr nötig!
Heidrun kommt wenig später zu mir. Sie schaut mich scheu an und ich überlege, ob es wohl die Sache der Weiber ist, sich immer gegen die Männer so zu verhalten… Ob nun in der Ehe oder einfach bei einem Treffen und einer Arbeit.
"Nun, Mädchen, willst Du zurück nach Schandau?"
Sie sieht mich an, als wenn ich sie gerade getreten hätte. Dabei ist es doch nur eine einfache Frage.
Mit einfachen Mitteln versuchte sie, ihr Kleid wieder zu richten, das von unserem Aufgriff, viel mehr wohl noch vom Verstecken vor uns und vor dem Bären beschädigt war. Geschickt scheint sie zu sein. Und auch still, wenn man sie nicht fragt. Dass sie aber selbst jetzt, da ich ihr eine Frage stelle…
"Herr, muss das sein? In Schandau ist man nicht so zu mir, wie man es derzeit hier zu tun pflegt."
Aha… doch nur ausgerückt und nicht wirklich auf der Suche nach Kräutern oder einem Jungen? Das konnten wir nie ganz klären und… ehrlich gesagt interessierte es mich bisher auch noch nicht wirklich.
"Was erwartet Dich da?"
Sie wird rot im Gesicht. Dann muss es mehr sein, als nur ein Mann, der ihr nachstellt… vielleicht musste sie sich dort nach Grom an jeden verkaufen, wie sie sich zum eigenen Schutz uns anbot?
"Gut denn… Du willst es nicht sagen. Ich hätte aber einen Auftrag… eine Aufgabe für Dich. Vielleicht willst Du mir zur Hand gehen? Du siehst, wie es hier aussieht. Männer sind nun einmal nicht für einen Hausstand gemacht und ein wenig Hilfe könnte ich schon brauchen. Dafür hast Du Dein Essen und, wenn Du es so willst, auch ein Lager für die Nacht."
Bei diesen letzten Worten zuckt sie zurück.
"Angst? Nicht für alle als Lager… nur hier in diesem Hause unter meinem Schutz. Mehr will ich nicht von Dir. Weiteres wird sich vielleicht später finden."
Sie kann sich glücklich schätzen, dass ich sie nicht einfach nehme. Natürlich belasse ich dies noch in der Schwebe. Wer weiß, was die Zeit bringt? Vorerst glaube ich, es ist besser, wenn sie von den Dorfwegen verschwindet und in festen Händen gilt.
"Also, wenn Du es willst, kannst Du gleich beginnen… Räum erst einmal alles auf und bereite ein ordentliches Essen. Meine Brüder kommen zum Mittag zu uns. Ich habe mit ihnen zu beraten. Die schlechtesten Entscheidungen geschehen mit leeren Bauch. Also, eile Dich oder lass es bleiben."
Als wenn ich mich nicht weiter dafür interessierte, greife ich mein Schwert, dem ich noch einen ordentlichen Schliff angedeihen lassen muss, verlasse die karge Hütte, besichtige kurz den Bau des neuen Hauses für mich und mein dann hoffentlich irgendwann etwas größeres Gesinde und gehe zur Schmiede, die schon dreimal in den letzten Jahren abgebrannt sein soll. Nun baute man sie als erstes Haus hier in Sebnitz aus Stein wieder auf und nahm dicke und starke Balken für das Dach. Seither, so meinte gar der Schulze, brennt hier nur noch das Schmiedefeuer. Ich hoffe einmal, das bleibt so. Denn die Dörfler lernten aus der Not wenig, bauten die neue Schmiede wieder mitten zwischen ihre Katen und Hütten und laufen damit immer weiter Gefahr, doch noch alles durch ein Feuer zu verlieren.
Der Schied, ein grober Kerl mit wenig im Kopf aber viel Kraft in den Armen, nimmt sich gleich meiner Klinge an, schleift sie vorsichtig und kann sich an dem Stahl nicht sattsehen. Ja, es ist eine gute Arbeit. Zu teuer für mich, doch eben wichtig in diesen Zeiten.
Von ihm erfahre ich leider wenig. Er redet nicht und ich denke, dass er vieles vom Gehörten auch nicht versteht und darum nichts erzählen kann. Aber gut. Mir soll es gleich sein. Ein Schmied, der nicht tratscht, der wird auch nicht berichten, wenn wir ihn für einige Ausbesserungen heranziehen oder ihn Speere für alle fertigen lassen. Wichtig zur Verteidigung.
Mittag ist heran. Ich sehe von Weitem, wie sich Jaro in Richtung meiner Hütte trollt. Franjos Hengst steht schon davor. Da steigt Rauch aus dem kleinen Loch im Dach und ich habe sicher nicht nur den Verdacht, sondern nun wirklich eine Hilfe im Hause.
Natürlich ist da erst die Häme. Baresch, den ich noch nach Prag schicken will und der unterwegs bei Bruno um einige Hilfe bitten wird, der lacht mich an, als er das gerötete Gesicht der Heidrun am Herd erblickt. Sie versucht, so schnell und still wie möglich aufzutischen, damit sie dann die Kate verlassen kann. Dabei stößt sie mit Benesch zusammen, der mit der Rechten nach ihr greifen will… Ungehörig will er das tun. Doch mein Blick lässt ihn stoppen und er tritt lieber zur Seite, anstatt sich mit mir anzulegen.
Viel Fleisch hatte ich nicht mehr im Hause. So gibt es eine Suppe, die verführerisch nach allem Möglichen duftet und auch so schmeckt, dass niemand nach einem Wildbret ruft. Zumal der Wein, an den wir uns nun alle gewöhnten und den der Schulze in wilder Pflichterfüllung schnell noch vor dem Essen auffüllen ließ, zusätzlich satt und schwer macht. Manchmal glaube ich sogar, uns geht es jetzt schon wie im Paradies. Aber das sollte man nicht denken. Es ist Gottesfrevel… Der Himmel kann warten, vergisst aber eben nicht viel.
Als das Essen beendet ist und alle darauf warten, was ich denn nun erzählen werde, kommt unser Pfaffe herein, der ehemalige Kaplan, und bittet mich auf ein Wort. Ich will ihn abwimmeln, denn was auch immer er hat… Nichts kann so wichtig sein, dass es unsere bevorstehende Unterredung stört. Er ist dermaßen erbost, dass ich ihm doch zunicke und ein paar Schritte mit ihm nach draußen gehe.
"Herr, Ihr habt die Heidrun ins Haus geholt. Sah ich das richtig?"
Ja, natürlich. Es spricht sich zu vieles zu schnell hier herum. Und am liebsten würde ich ihm das auch sagen. Sein Blick jedoch verbietet es mir. Wer weiß, was ihn reitet… Jetzt zumindest will er eine Antwort von mir auf eine Frage, die ich nicht einmal wirklich in Gedanken stellen würde.
"Nein, Pfaffe, ich will sie nicht in mein Bett zerren. Noch nicht zumindest. Und sie hat mir nur den Haushalt zu versorgen. Wenn ich mich doch noch dafür entscheide, dann…"
Der Mann, der froh sein sollte, dass ich ihm diese Pfarre angedeihen ließ, der sieht mich ernst und zugleich ein wenig anmaßend an.
"Dieses Weib ist nichts für Euch. Das werdet Ihr doch wohl verstehen, oder?"
Ja, natürlich… Ähm... warum eigentlich?
"Was denkt Ihr, warum der Ritter Ronald von hier gehen musste und der Bischof Euch zu Dorf und Land verhalf? Nicht etwa, um einen Ritter zu demütigen und ihn weiter von Meißen zu jagen, als ihm auch nur lieb sein kann… Er holte sich ebensolche ins Bett!"
Solche… Was für solche?
"Die ist doch keine aus der Kur. Ihr versteht?"
Der Dünkel.
Dann kommt es mir wieder ganz klar hoch. Ja, das war es, was der Bischof von mir wollte. Die Wenden, diese Elbslawen und alle, die ihnen ähnlich sehen, die soll man zurückdrängen, sich nicht mit ihnen vermischen. Meine Aufgabe in diesem Dorf ist und bleibt es noch, die vielleicht bestehenden Verbindungen zu zerschlagen, Weibsvolk aus dem Westen zu besorgen und dafür zu stehen, dass die sich dann mit den hiesigen Männern anfreunden und keusch vereinigen… Und mehr…
"Was wollt Ihr, Pfaffe? Schaut mich an. Bin ich ein Meißner, ein Wettiner, gar ein Franke? Nein. Der Bischof hat sicher nicht den Bock zum Gärtner machen wollen. Und ich habe keine Lust, mich mit Euch zu schlagen. Ihr versteht? Also… lasst mich lieber tun, was ich zu tun gedenke und das aber eben richtig. Wenn ich mir als der Herrscher und Herr in diesem Dorf nicht einmal eine Hilfe nehmen darf… ob sie nun Slawin ist oder eine aus Franken… was weiß ich denn? Vielleicht hat Euer guter Herr Bischof, haben seine Vorfahren und auch diese Markgrafen nur eben einen Fehler begangen, als sie lediglich Mannsvolk hierher holten? Was denkt er sich denn, der Herr Bischof? Dass der Mann ewig dasteht und die Weiber in ihren Posen betrachtet, sich aber nicht an sie herantraut? Dazu ist er vielleicht ein Mann der Kirche… wie Ihr es auch seid. Aber doch nicht die, die hier sind und tagtäglich schaffen, um den Winter zu überstehen und die wahrlich hohen Abgaben zu erwirtschaften… Das ist nicht einfach. Ihr versteht? Und mit Eurem Gerede wird es nicht einfacher!"
Er blitzt mich an. Ehe er etwas erwidern kann, falle ich ihm schon wieder ins Wort.
"Hier… das ist mein Flecken. Und ich nahm Euch mit aus Meißen hierher, weil der Pfarrer des Ritters verschwand. Warum? Weil er Einheimische mit den Siedlern vermählte? Aber sie sind doch nun schon alle eine Weile hier… Eine Generation, kann man sagen. Da gibt es keine Siedler und Andere mehr… nur eben mich als Neuen… und Euch… als einen, der des Bischofs Arm hier sein soll… Ich hoffe aber, Ihr werdet nicht sein Schwert!"
Damit gebe ich ihm einen Wink und er trollt sich. Nicht, ohne noch den einen oder anderen Fluch auszustoßen. Zumal er eben sah, dass wir tranken. Im Hause und zum Mittag. Das ist in seinen Augen Völlerei. Die kann er mir nicht verbieten, solange ich bei seinem Herrn in Meißen ebenso empfangen werde. Einziger Unterschied… Da gibt es wirklich jeden Tag Gebratenes und Gesottenes. Hier kommt nur auf den Tisch, was wir haben. Und das wird bei den Steuern und Abgaben nicht weniger in den nächsten Wochen.
Missmutig gehe ich zurück in meine Kate. Heidrun macht sich draußen am Holz zu schaffen. Keine Arbeit für ein Weib. Aber sie will nicht hinein, so lange so viele Männer drinnen sind. Vielleicht wird sie lieber auswärts schlafen? Zu groß ist die Gefahr…
Ach was… ich mache mir Gedanken um sie, weil der Pfaffe mir den Umgang verbieten wollte. Was der sich herausnimmt! Nun ja, soll er ruhig so weitermachen. Ich kann ihn auch noch… davonjagen? Das machte mal einer unserer Könige. Jagte seinen Bischof über den Hof und von der Burg. Dann jedoch wurde er vom Papst angesprochen. Nein, einen Kampf gab es zwischen Avignon und dem Karlstein nicht. Aber, wenn ich mich recht entsinne, hatten sie alle große Angst … Na ja… es stand eben kurz bevor.
Drinnen ist gute Stimmung. Man trinkt das, was sich der Schulze vielleicht selbst zurücklegte und mir nun um des lieben Friedens willen gab. Längst vergaßen meine Brüder, dass ich sie doch für ein wichtiges Gespräch zu mir holte. Und doch… Ich muss mich mit ihnen besprechen. Es geht nicht anders. Wenn die Männer des Königs erst vor dem Dorfe stehen, werden wir keine Zeit haben, das Für und Wider noch einmal zu bedenken. Vorher muss Klarheit herrschen. Und ich hoffe, sie können mir trotz ihres Suffes helfen, diese Männer, die nicht viel vom Leben zu erwarten haben, wenn sie sich nicht in meinen Gefilden niederlassen. Wenn ich an den König und an die Mark, das Bistum und die Kur abgeben soll, bin ich nicht lange hier. Und das, Bischof, das ist Betrug!
"Wisst Ihr, was nun geschehen ist?"
Benesch, der noch einmal draußen war, während ich den Pfaffen zurechtstutzte und der wohl einen Boten traf, der eigentlich zu mir wollte, sich aber von meinem Bruder zu schnell aufhalten ließ, was ihn an anderer Stelle sicher sein Leben gekostet hätte, der stellt sich zurecht und schaut uns alle an, als ich gerade die Ungeheuerlichkeit benennen will, die doch durch unseren Karl, den König der Böhmen, gerade und in offenem Maße an uns begangen wurde… ohne dass der vielleicht weiß, dass er dies alles an uns begeht.
"Unser Karl wurde zum Kaiser erhoben!"
Unser…
Ich brauche eine Weile, ehe ich begreife, was Benesch da eben sagt.
"Unser Herzog und König ist Kaiser?"
Ja, wir verstehen es endlich. Und nun wird es doch alles ganz anders… der König der Deutschen, der König der Böhmen, der Herzog seiner Lande… und der Kaiser des Reiches. Alles in einer Person.
"Lasst uns feiern!"
Natürlich! Und auch wenn der Bischof sich nun sicher fragt, ob es eine richtige Entscheidung war, gerade uns Böhmen auf die alten Gebiete zu setzen, dann ist mir das völlig egal. Der König ist Kaiser und die Reiche sind endgültig vereint. Wie könnte sich ein Kirchenfürst, ein Pfaffe von Gottes Gnaden auch nur einen kurzen Moment lang dazu erdreisten, die Männer eines solchen Herrschers wieder davonzujagen?
Kaum eine Stunde mag vergangen sein, da stehen schon die Weiber an den Feuern und eine Betriebsamkeit setzt ein im Dorfe, die mich ernstlich daran zweifeln lässt, was der Schulze mir versuchte, mit vielen Worten klarzumachen. Nein, diese Leute haben keinen Hunger. Sie schleppen herbei, was auch immer sie irgendwo finden, und schon sehe ich gar einen Ochsen an einem großen Spieß über dem lodernden Feuer rösten. Heute zumindest kann der Schulze mir nicht sagen, dass ich zu viel nehme, wenn ich den ganz normalen Tribut fordere. Heute nicht!
"Bruder… hallo, Hinko… komm zu uns!"
Baresch, Franjo und Jaro sitzen bereits am Feuer und lassen den Weinkrug kreisen. Dazu gibt es Dünnbier und natürlich den Geruch nach köstlichem Fleisch. Bald schon wird alles bereit sein.
Schwer, noch in Gedanken, denn ich muss überlegen, was uns diese Nachricht für Möglichkeiten bringen mag, lasse ich mich doch bei ihnen nieder und proste allen in der Nähe zu. Ob die meisten überhaupt verstehen können, was dies bedeutet? Ich bezweifle es ernsthaft. Denn das diese Länder bisher einzeln waren, die Kur, das Bistum und natürlich das nahe Böhmen, das war uns klar. Aber jetzt?
"Sag mal, Hinko, warum wolltest Du uns eigentlich vorhin zu Dir holen und warum durften wir die leckere Suppe essen, die Deine… nun ja… Deine Hilfe uns kochte?"
Franjo, der Verschmitzte, immer zu einem Scherz Aufgelegte, der sieht mich an und macht eine eindeutige Bewegung. Dummerweise sah das die Heidrun auch noch und rennt mit hochrotem Kopf in unsere Kate… unsere… in meine, in der sie nun einiges zu schaffen hat. Mehr nicht. Eben so, dass sie sich nützlich machen kann und für ihr eigenes Einkommen sorgt… Eher für ihr Auskommen. Übrig wird nicht viel bleiben!
"Leckere Suppe… ich wollte, dass Ihr die Nachricht, die ich hatte, gut verdauen könnt. Und auf leeren Magen wäre sie nicht gut gekommen!"
Jetzt sehen sie mich alle an. Baresch schluckt noch einen halben Becher und knabbert an heißem und frischen Brot. Er wird sich noch den Magen verderben, wenn er immer so warmes Zeug in sich hineinschaufelt! Selbst vom Spieß frisst er am liebsten alles, wenn das Fett noch heiß heruntertropft! Na, vielleicht stimmt, was man über ihn sagt… Er hat einen Bärenmagen… stark und für alles offen.
"Nun rede endlich… Hattest Du doch schon Kunde über unseren Herrscher?"
Sie werden sich nie ändern! Wir sind jetzt für die Meißner unterwegs, sollen beenden, was die Ritter von Sebnitz nie richtig begannen… eben diese Ordnung hier schaffen. Aber nun?
"Nein, nichts vom Kaiser. Eher von einem Verrat an den alten Grenzen. Vielleicht hat das alles nun keine Bedeutung mehr?"
Nachdem sie mich doch noch löcherten und auch Bogumil, schon mit weinschwerer Zunge, zu uns stößt und versucht, mich zum Reden zu bringen, lache ich nur vor mich hin und beginne zu erzählen, was mir der Schulze vielleicht zum Selbstschutz berichtete.
Wie gebannt hängen sie an meinen Lippen. Natürlich. Man kann es kaum glauben. Aber jetzt… wie lange ist es denn her, dass unser König zum Kaiser wurde? Wochen, Monate? Nachrichten brauchen lange, ehe sie in unserer Zeit ihr Ziel erreichen. Und ob nun unser kleines Dorf fernab und zwischen den Grenzen, auch als ein Ziel für diese Worte und Kunde… Halt… Woher kam denn der Bote? Von Meißen oder von Prag?
"Ich weiß es nicht. Es war aber ein Böhme. Und er hatte keinen Brief dabei, sondern nur die Kunde. Er reitet weiter, rief er noch, er müsse doch allen in der Umgebung schnell davon berichten. Und dann war er schon fort."
Hätte Benesch ihn mal lieber zu Trunk und Speise geladen… Dann wären wir jetzt schlauer.
"Aber was Du da berichtest… Der hat… Wer kann das veranlasst haben, ein Land mit Steuern und Abgaben zu belegen, das doch weit hinter der vereinbarten und festgeschriebenen Grenze liegt?"
Ja, das ist meine Frage. Ich muss zum Bischof, muss Johann fragen, ob er davon wusste und vielleicht darum hoffte, dass diese doppelte Abgabenlast nun wegfalle, wenn Böhmen im Auftrag der Mark die Abgaben eintreiben und das Land für ihn verwalten? K önnte es dann nicht noch viel schlimmer werden?
"Das ist nicht gut. Und wenn der jetzt Hundertmal Kaiser ist. Hat er es angewiesen, dann beging er Verrat…"
Ja… Verrat… An wem? An sich selbst? Er war schon König der Deutschen und der Böhmen. Wen traf er dann?
Der König der Deutschen hat wenig zu sagen in diesem Gebiet. Der wahre Herrscher ist der Kaiser, und natürlich sind die von ihm eingesetzten Grafen, Herzöge und Fürsten diejenigen, die sich dann mit allem im Lande zu beschäftigen haben. Trotz alledem… Er hätte es nicht tun dürfen, der Karl.
"Frag den Bischof. Frag ihn. Und dann sehen wir weiter. Hat er es gewusst und Dir nicht gesagt, so tragen beide Schuld. Was war, als Du in Meißen auf die Befehle wartetest? Hatte der Markgraf auch Zeit für Dich?"
Der Wilhelm? Er sah mich ein paar Mal und sagte nie ein Wort. Selbst, als der Bischof bei den Verabredungen dabei war… Das wunderte mich schon, machte mich aber nicht stutzig.
"Gut, Männer… ich reite nach Meißen und werde sehen, was man da sagt. Dann wissen wir mehr."
Oder auch nicht… das ergänze ich nur heimlich für mich, denn die Angst, dass alles auch nur ein abgekartetes Spiel sein könnte, um Birken und Sebnitzer, die Siedler aus Franken und diese Elbslawen aneinandergeraten zu lassen und sie dann gegeneinander auszuspielen, die ist da. Der Bischof… nun, diese Pfaffen sind manchmal weitaus verschlagener, als man es ihnen jemals zutrauen würde.
Drei Tage war ich unterwegs. Nein, ich habe nicht gebummelt oder wollte unbedingt ein anderes Gebiet besuchen, erledigte noch Ritte in die Umgebung… Ich hatte mich vielmehr zu verbergen, wollte nicht, dass man mich sieht oder gar fängt. In der Gegend ist viel los. Die wenigen kleinen Flecken, diese Hufen und kleinen Fischerdörfer, die können nichts ausrichten gegen das Gesindel, das auch von den nahen Polen herüberkommt. Nah? Nein, nicht wirklich. Diese nördlich lebenden Slawenstämme, die sich unter einem mächtigen Herrscher zusammenschlossen und immer wieder die Reiche bedrohen, die dringen ein, machen Beute und hinterlassen verbrannte Erde.
Nun jedoch sehe ich den Burgberg und beschließe, wieder die Fähre für die letzten Längen über den Fluss zu nehmen. Doch ich erkenne den Fährmann und sein Schiff nicht wieder.
"Wo ist der Mann, der hier noch vor Wochen Dienst tat?"
Ich sehe den jungen Burschen an, der sich in die Seile wirft und mich erst gar nicht mustert, dann jedoch wieder und wieder mit sich und seinen Gedanken zu tun hat. Was ist hier geschehen?
"Wir hatten Boten. Viele Boten, die nach der Burg hinüber wollten. Und mein Vater war ihnen zu langsam. Da warfen sie ihn in der Mitte des Flusses über Bord und fuhren allein weiter hinüber. Aber Vater konnte sich nicht halten. Er war schwach… nicht von der Arbeit, sondern weil sie ihn schon an Bord piesackten… und dann war er fort, ging unter. Ich brauchte einige Zeit, um zur Fähre zu kommen und sie wieder flott zu machen. Fast hätte man mir noch die Konzession genommen, weil ich fünf Tage die Überfahrt nicht sichern konnte. Aber der Haushofmeister oben auf der Burg, der hatte ein Einsehen und schickte mir noch zwei Männer, die mir halfen, als ich gar nicht so recht klarkam. Doch jetzt… der Vater… ich konnte ihn nicht einmal begraben und die Mutter liegt seither krank auf dem Lager. Ob sie noch einmal wird? Die Schwestern kümmern sich um sie. Ich glaube, der Schlag traf sie, als sie den Vater untergehen sah… Sie erkannte seinen Kampf, konnte aber nichts tun."
Kampf… nun töten sie schon einen einfachen Fährmann. Was haben sie davon? Dass die Fähre bald wieder fährt, das ist doch klar an einer Burg, wie dieser… Nur eben, um zu töten… Oh, ich merke schon, ich bin zu weich. Ich sollte mich mehr mit all den Dingen beschäftigen, die mich wirklich weiterbringen.
"Seine Eminenz, der Bischof, der ist nicht zugegen. Er weiht gerade ein Kloster ein wenig im Süden von hier. In drei Tagen ist er sicher wieder hier!"
Vertröstung. Ich würde mich nicht wundern, wenn der heilige Mann gleich durch Zufall um die nächste Ecke käme. So verlasse ich die Präfektur und lasse mich beim Markgrafen melden, der gerade von einer Jagd zurückkommt.
Natürlich habe ich da auch nicht gleich eine große Gegenliebe für mein Ansinnen, aber man lässt mich vor, nachdem Wilhelm sich ein wenig frisch machte, weil er wohl neben seiner erfolgreichen Jagd auch noch einen kleinen Tanz mit den Donyn hatte, die im Entferntesten zu unserer Familie gehören.
"Was will der Böhme hier auf dem Berg, wenn der Bischof nicht zugegen ist und Er doch eher meine Gebiete verwalten soll?"
Er ist müde, der Markgraf. Aber ich habe keine Zeit.
"Es geht um eine Auskunft, die mich nun gerade nach der Krönung des neuen Kaisers besonders wichtig dünkt."
Geheimnisvoll… einige Pagen laufen durch den großen Saal, der sehr kühl wirkt. Der Wind, der durch die Fenster hereinblasen kann, hat die letzte Wärme des lange gegangenen Sommers schon vertrieben und ich frage mich, wie man wohl im Winter hier drinnen einen Empfang abhält. Das muss… Nun, auch einige Edelleute sollen schon nach zu langem Sitzen in der Kälte erkrankt, manche gar gestorben sein.
"So, und was will er wissen?"
Der Unmut dieses einst blonden Mannes, der nun mit vielen grauen und einigen weißen Haaren gesegnet ist, der ist mir schon sicher. So trage ich todesmutig meine Frage vor und sehe genau, wie Wilhelms Gesicht sich erst zu einer erbosten Larve, dann zu einem überlegenden Suchen bis hin zum Lachen verändert.
"Der König der Böhmen und der Deutschen wagt es, in diesen Landen eine Abgabe zu fordern? Wie das?"
Ja, wie das…? Ich verstehe es auch nicht. Da ich mich in der Enge getrieben sehe, weil ich selbst Böhme, hedoch einem Sachsen und auch noch Mann der Kirche verpflichtet bin, muss ich einfach wissen, was man hier spielt und wie man dies nun auch noch begründen will.
"Gut, Hinko von Dauben. Ich werde es prüfen. Wenn der Bischof nicht zugegen ist, dann kann ich jedoch nur warten. Aber... eigenartig finde ich es schon… Kann es sein, dass der Schulze Euch an der böhmischen Nase herumführt?"
Ja, sicher. Aber dann… Gnade ihm Gott! Der würde seines Lebens nicht mehr froh, wenn ich genau das erkennen müsste.
"Gut… lasst die Wut im Beutel und das Schwert in der Scheide… Ich werde es klären. Und sagt beim Vogt Bescheid, wo man Euch findet, wenn ich eine Nachricht für Euch habe. Drei Tage… Das wird sicher nicht so lange dauern. Manchmal sagt man auch in der Präfektur Dinge, die nicht ganz stimmen. Ihr versteht, Dauben?"
Er kann es nicht. Er spricht mich mit einem Namen an, den es nicht gibt. Begreife ihn doch, wer will… Ich nicht. Er wird sich verwenden und ich… gut, ich werde warten. Wo? Kann er mir nicht eine Kammer zuweisen lassen? Oder geht die Freundschaft doch nicht soweit her, dass er dies für mich tun würde?
Ich lache in mich hinein, gehe lieber, ehe es dem Markgrafen einfällt, sich über mich zu beschweren. Immerhin will ich etwas von ihm. Und das ist… keine leichte Sache, die ich da von ihm fordere. Immerhin soll er nicht nur gegen den König, sondern nun gegen den Kaiser ermitteln. Ob er es überhaupt tun wird? Noch wage ich, es zu bezweifeln.
Nun sitze ich schon vier Tage in dieser Kemenate fest. Wie man einem Edelfreien, der auf Nachricht des Markgrafen wartet, so etwas antun kann, das frage ich mich lieber nicht zu offen. Aber es geschieht immer wieder. Leider.
Endlich… Der Bote vor dem Haus schimpft erst mit der Herbergsmutter herum, weil man auf der Straße kaum gehen kann. Die Pisse und noch vieles anderes, fließen einfach nicht ab, weil trotz des fortgeschrittenen Jahres der Regen ausbleibt, der im späten Herbst doch typisch sein sollte. Und wenn man dann in so engen Gassen hausen muss… Es stinkt… Auch ich werde froh sein, wenn ich die Stadt dieses Mal endlich verlassen darf.
"Was wendet er sich an den Grafen, wenn Er doch hört, dass Wir in diesen Tagen zurückkommen? Das ist schon allein ein Unding! Wir haben nicht übel Lust, Ihn für ein paar Tage in ein dunkles Loch sperren zu lassen! Was denkt Er, wie Wir uns fühlen… Man kommt zurück, hatte einige wichtige Geschäfte zu erledigen und Gott, unserem allmächtigen Herrn, auch noch eine neue Klosterkapelle geweiht, und dann empfängt uns ein Bote des Grafen mit so verworrenen Redereien, dass es uns gleich wieder schlecht wurde. Was, fragen wir Ihn, Berka von der Duba, was sollte das?"
Nein, der darf mit mir nicht so reden! Da sei… mehr als nur Gott vor! Was soll ich denn tun? Ich wollte Klarheit und muss doch allen, denen ich zu Gefallen in dieser Gegend bin, auch die Fragen vortragen können.
"Bin ich nun in der Mark und im Bistum oder nur für Euch auf diesem Platz in Sebnitz, Eminenz? Ich weiß es nicht mehr, denn gerade glaube ich, der Ritter Ronald wäre noch in Amt und Würden, wenn ich doch nur Euch vertrete."
Der Bischof zuckt einen Moment, weist dann alle Schranzen um ihn herum hinaus und wir stehen allein in seinem Amtszimmer gleich neben der Kirche hier oben auf dem Burgberg.
"Was erlaubt Er sich, Duba?"
Er schaut mich an, als beging ich eine Gotteslästerung. Dabei sage ich nur, was ich denke und da es der Wahrheit vielleicht nahe kommt, muss er sich nun noch mehr gegen mich wenden. Das sehe ich ihm gleich und sonders an.
Ich gehe nicht weiter auf das Gerede ein, stelle mich etwas bequemer. Ich bin wer… Er auch… Aber ich muss mein Licht nicht unter den Scheffel stellen, wenn er mir so kommt. Dann bringe ich meine Frage, die mich vielleicht gleich wieder zum landlosen Mann machen könnte. Wenn er denn wirklich so ein falsches Spiel gespielt hat, wie ich es ihm nun schon zutraue.
"Was Er da erzählt, entbehrt doch jeder Grundlage, Birke. Das kann nicht sein. Das hätten mir diese Leute doch schon eher gemeldet, wenn sie noch einen Herrn hätten, an den sie zu zahlen haben… nein… ich glaube Ihm kein Wort. Ist er etwa plötzlich auch schon von diesen Verrückten im Slawenland eingenommen? Ich hörte bereits von meinem Kaplan, dass Er es mit einer dieser Dirnen von da haltet. Stimmt das?"
Oh, der kleine Verräter! Da dachte ich gerade noch, dass ich mit diesem Manne vielleicht ganz gut fahre und nun stehe ich da und werde auch noch von meinem Bischof für etwas verurteilt, was ich nicht einmal im Traum… na ja, die Heidrun ist ganz passabel. Aber eben mehr nicht.
"Gut, gut… echauffiere Er sich nicht gar so sehr. Ist gut. Aber sei Er versichert, dass ich nie davon hörte, dass der Böhmenkönig sich nun auch noch… also, das schreit zum Himmel und ich überlege, ob ich nicht nach Magdeburg, gar nach Avignon eine Nachricht senden sollte. Denn so hat sich noch nie jemand… na ja… aber er ist jetzt Kaiser… unser aller Kaiser. Meiner nicht. Ich stehe über ihm… oder neben ihm. Ich will mich nicht zu sehr erhöhen. Das steht mir nicht zu. Aber wenn er so ein Unrecht beging und vielleicht immer noch begeht, dann…"
Das geht noch eine Weile weiter.
Ich knie auf den kalten Steinen seines Raumes und mir wird langsam klar, warum man sich eher eine mit Stroh geschichtete Hütte bauen sollte, als solch eine Burg… na ja… ein Schloss… einen Palas. Ich weiß es auch nicht. Und doch. Irgendetwas sagt mir, dass er mich belügt. Er hat so ein Grinsen tief in sich drin. Das sagt mir alles über ihn. Ich schäme mich. Nicht, weil er eben mit mir redet und ich ihn dazu trieb, sondern weil er ohne zu überlegen gleich damit begann, mir diese Geschichte zu erzählen.
Nach einiger Zeit ist es vorbei. Ich bin entlassen, soll mich um die Dinge in meinem Dorf kümmern. Der Kaiser, so sagt man mir, der bekäme auf jeden Fall, was ihm zusteht. Aber eben aus Meißen und nicht direkt aus meinem Dorf.
Mein Dorf… wie das klingt!
Vor Jahren gab ich die Hoffnung auf, dass ich einmal eines danach benennen kann, und nun hänge ich in Gedanken all jenen Dingen nach, die mir darum seither entgingen.
"Herr von der Duba?"
Ein unscheinbarer Gnom reißt mich dabei aus den Gedanken.
Was will der von mir? Ich fahre ihn fast an, besinne mich dann. Hier auf dem Berg kann ich jeden brauchen, der mir etwas erzählen will.
Er stellt sich nicht vor. Gut. Dann kann ich auch nur annehmen, dass er das, was er mir zu berichten hat, ernst meint.
"Herr, der Markgraf schickte mich gestern schon zum Bischof und unterrichtete ihn von Euren Fragen und dem Frevel, an Gott und seinem Stellvertreter hier auf Erden zu zweifeln. Hattet Ihr wirklich geglaubt, dass man Euch daraufhin die Wahrheit verrät?"
Was will der Kerl? Was soll ich mir hier anhören? Ich bin ein Herr und der… sieht nicht mal wirklich wie ein Mann aus. Da kann man sich doch solch eine Rede nicht bieten lassen!
Ich springe auf, stehe gerade fest auf den Beinen und greife an meine Seite, ehe ich bemerke, dass ich mein Schwert noch nicht am Ausgang des Bischofssitzes abholte. Gut denn… dann hat er hier eine Chance, die nächsten Augenblicke doch noch zu überleben. Dieses Menschlein ist gar lebensmüde!
"Bleibt nur ruhig! Nichts liegt mir ferner, als Euch nun gerade entgegenzutreten und Euch auch noch zu beleidigen. Nur, weil ich weiß, was Ihr wissen wollt, und ahne, dass Ihr eine andere Antwort bekamt, als sie Euch zusteht, bin ich hier. Auch ich habe einiges zu verlieren… nicht nur mein Leben, wenn Ihr denkt, ich beleidige Euch. Glaubt mir… es ist nicht alles so einfach hier auf dem Berg. Da muss der Kurfürst nicht da sein… Der Markgraf allein macht schon Ärger… vom Bischof ganz zu schweigen… Am Schlimmsten ist es wohl, wenn dann beide auch noch gemeinsam hier sind und über ein und dieselbe Sache entscheiden… gegensätzlicher könnten deren Reden und Sprüche nicht sein! Die Kirche und die Welt… Na ja… schlimmer, als Böhmen und die Deutschen!"
Böhmen und Deutsche…
Ich lache einen Moment in mich hinein.
Der Kaiser soll sie einen. Alle natürlich. Und dann macht er… Na ja, ich weiß es nicht.
Ich beruhige mich für den Moment und sehe den Mann herausfordernd an, sich neben mich zu setzen. Völlig unbewusst suchte ich mir vorhin wohl einen Platz aus, von dem aus man mich und nun auch meinen Partner hier nicht sehen kann. Die Büsche und ein Mauervorsprung verdecken uns vor allen Fensteröffnungen und ebenso zum Platze zu. Der Gnom blickt sich kurz um, nickt fast anerkennend dazu und lässt sich neben mir nieder.
"Herr, es ist eine verrückte Sache. Aber was soll ich tun? Die Wahrheit muss doch ihren Weg finden!"
Dabei sieht er mich an, als wenn er…
Ah… ein Verräter, der für seinen Verrat auch noch bare Münze haben will. Und das von mir, der ich froh bin, meinem Pferd ein wenig Hafer kaufen zu können! Na, der denkt auch, ich wäre… Ich bin aber eben nicht… Na ja… doch, ein wenig Kupfer besitze ich noch. Der Rest sollte von den Steuern und natürlich vom Viehverkauf im Dorf kommen. Das wird erst in den nächsten Tagen, wenn die Männer von den Märkten zurückkommen und ihren Gewinn hoffentlich ehrlich benennen und ihre Abgaben an mich geben. Silber wird das sicher auch nicht. Eben ein wenig mehr Kupfer für die kleinen Annehmlichkeiten rund um das Leben mitten im Gebirge… kleinen Gebirge… eben an der Elbe hoch droben auf den Felsen und in den Schluchten.
Meine Kupferstücke sieht er skeptisch an. Dann mustert er mich von oben bis unten und schüttelt den Kopf.
"Oh, welch ein Einbruch! Der Ronald hatte immer gutes Silber. Und nun steht er mittellos irgendwo im Thüringischen und wird da beim Landgrafen versuchen, sich doch schadlos zu halten, ihm zu Diensten zu sein. Aber sein Name ist verbrannt. Vielleicht lässt er sich einen langen Bart stehen und tritt als einer der vielen Kerle auf, die unseren guten Kaiser Friedrich nachmachen, Gott hab' ihn selig! Muss er sich nur noch die Haare rot färben. Das kann er sicher irgendwie bewerkstelligen."
Kaiser Friedrich… elend ersoff der auf seinem letzten Kreuzzug. An den sollte man seine Hoffnung nicht unbedingt hängen! Was rede ich… auf mich hört eh' niemand. Warum sollte ich mich dann um dieses Gerede scheren.
Noch ehe ich die Hand mit dem Kupfer wieder in der Tasche habe, greift der Gnom nun doch danach, zählt geflissentlich nach und überlegt vielleicht, ob er ein paar Informationen zurückhalten sollte. Alles ist heute möglich… und der da? Na, ob man ihm wirklich trauen darf? Ich glaube einfach nicht daran.
"Also, hoher Herr mit dem Kupfergeld…"
Macht er sich nun über mich lustig? Dann soll ihn gleich der Schlag treffen! Doch er sieht mich nicht frech an.
"Was meint Ihr? Kann ein Bischof, ein Mann Gottes, kann der geflissentlich und auch noch offen lügen?"
Wer soll das wissen oder ahnen? Ich nicht. Der Kaiser kann sogar lügen, um eine Kriegslist zu verschleiern. Warum sollte dann ein Bischof nicht auch…?
"Aber verbietet Gott nicht jede dreiste Lüge, wenn es um wichtige Dinge geht?"
Ja, natürlich. Doch das geht mich nun wieder nichts an. Wenn ein Kirchenmann lügt, dann wird er seine Gründe haben.
"Ja, natürlich, Ritter… aber wenn die nun nur niederem Begehr nach Silber und Macht entspringen? Dann ist es doch sicher gottlos, oder wie nennt ihr das sonst?"
Gottlos… einen Bischof nennt er so? Ich will aufspringen und ihn umwerfen, ihm beibringen, dass man es mit Manieren und nicht mit so einem Lug und Trug zu tun haben muss.
"Halt… gleich dürft Ihr mich vierteilen, wenn Ihr es unbedingt wollt. Aber hört Euch bitte erst in Ruhe und mit Verstand meine Worte an, die ich über diesen hohen und geistlichen Herrn sprechen muss, ja?"
Ja, sicher. Denn dann kann ich guten Gewissens sagen…
"Ritter Ronald war bis vor drei Jahren ein guter Freund des Bischofs. Immer, wenn er hier auf dem Burgberg zu Gast war, um seinem eigentlichen Herrn, dem Markgrafen, einen Bericht zu erstatten, dann ließ der Pfaffe ihn bei sich wohnen. In seinen Räumen. Und sie schienen… nun ja, habt Ihr im Hause des Ritters in Sebnitz auch nur ein Tuch, einen Rock oder einen Kamm eines Weibes entdeckt?"
Was will er mir denn nun noch offenbaren? Ist es nicht völlig egal, ob der Kerl sich mit läufigen Weibern einlässt?
"Ja, Ihr habt Recht, Herr von der Duba. Aber wenn er es schon mit Männern treibt… muss es denn dann ein Bischof sein?"
SCHLUSS!
Ich stehe, gebe dem Gnom einen Hieb, dass er gleich ein paar Überschläge macht, ehe er ächzend an der Mauer liegen bleibt, über die sich einer der ersten Bischöfe hier auf dem Berg einmal in die Tiefe gestürzt haben soll.
"Das ist nun der Dank für die Wahrheit! Und dabei bin ich noch nicht einmal beim Ende des ersten Teiles angelangt… also überlegt doch bitte, Herr Birke, was Ihr da tut, ja? Ich rede nicht zum Spaß. Ich lebe hier oben und sehe mehr, als manch anderer, weil man mich nicht beachtet und ich immer wieder mit dem einen oder anderen Gang betraut werde, den niemand Anderer übernehmen würde… Auch aus Scham, dabei zu viel zu erfahren."
Ich stehe da, schaue dem Kleinen düster entgegen. Er rappelt sich auf, hält sich die Seite und scheint nicht wirklich überzeugt, ob er das Richtige tut, wenn er jetzt noch weiter mit mir redet. Aber er scheint einen Drang zu verspüren, mich zu unterrichten. Vielleicht vornehmlich auch, um mir zu beweisen, dass ich ihn gerade mit Knüffen und Schlägen zu Unrecht so behandle. Kann sein. Interessiert mich jedoch eben gar nicht.
"Also, Herr… der Bischof hatte einen Freund. Und der war kein Freund, wie es unter normalen Männern üblich ist."
Vorsorglich zieht sich der Kleine noch ein wenig zurück. Zum ersten Mal seit Beginn unseres Gespräches beginne ich mich zu fragen, wie alt der da wohl sein mag. Man kann es nicht schätzen. Eben auch, weil er so verwachsen ist. Falten und Risse, graue Haare und Flecken im Gesicht… alt oder jung? Ich weiß es nicht.
"Ja, der Bischof. Und der Ritter fiel in Ungnade, weil er sich eines Tages an den Markgrafen wandte. Es ging wohl um das Dorf."
Daher wird der Bischof auch so sauer reagiert haben, als ich nicht drei Tage wartete, sondern gleich zu Wilhelm lief, der mir aber angeblich auch nicht antworten konnte.
"Wusste der Markgraf denn Bescheid über das, was der Ritter von ihm wollte?"
Der Gnom lacht mich an… oder aus?
"Hier oben kann man sich dummstellen. Aber die wenigsten sind es wirklich. Zu viel wissen sie alle… und was man nicht weiß, erfährt man eben auf anderen Wegen. Man kann sein Weib losschicken… sich in der Küche, im Stall oder auch in fremden Betten umzuhören. Denn hier auf der Burg zählt die Keuschheit und das Gesetz der heiligen Ehe nicht viel, wenn es um die Politik geht… die ist überall. Gerade, wenn zwei so unterschiedliche Herrscher hier regieren."
In fremden Betten.
Ich wende mich halb ab, glaube ihm aber, diesem Hänfling und Verwachsenen. Nichts liegt mir ferner, als ihn nun einen Lügner zu nennen. Die Verderbtheit… wenn gar der Junge des Fährmannes mit ansehen musste, wie sein Vater aus einer Laune heraus ertrank… nein, dessen Frau musste es. Der Sohn zum Glück nicht.
"Und, was wollte der Ritter Ronald beim Markgrafen? Was war so schlimm, dass der Bischof sich darüber aufregte?"
Vielleicht gar das Gleiche, was ich ihn fragte? Das wäre es doch! Ich tue etwas, was dem Markgrafen nur zu bekannt ist und der Bischof muss es erfahren… und verlor so schon einen Günstling, der auch noch im gleichen Gebiet…?
Ich denke zu viel. Soll ich nicht lieber hören?
"Ja, die Frage kennt Ihr."
Ruhig stellt er sich an die Mauer, schaut in die Tiefe, dann hinüber über die Elbe zu jenem Fischerdorf in der Ferne, das noch Meißen und der Burg Tribut zollt, aber bald mir gehören soll.
"Kerl… mach mich nicht irre! Was wollte der Ritter wissen?"
Sollten sie mich beide belogen haben? Ich will es nicht glauben. Dann lief ich in eine Falle, soll vielleicht wirklich mit meiner Blutlinie nur dafür sorgen, dass diese Übergriffe aufhören? Dann jedoch war die Wahl Karls zum neuen Kaiser sicher ein Fehler… oder auch einfach nicht vorhergesehen. Ja, das kann ich schon glauben. Verdammt… und ich bin wieder einmal mitten in einer Linie, in die ich nie hätte kommen dürfen…
"Ja, Herr. Ihr erratet das Rechte. Der Ritter wollte Unterstützung der markgräflichen Truppen gegen die Böhmen. Der Bischof konnte ihm keine Männer unter Waffen geben. Und er hätte die auch nur beim Markgrafen anfordern können. So glaubte der Ritter gar noch, er nehme seinem Bettgenossen einen Weg ab. Aber der wollte die Oberhand. Er hat die Macht und nicht der Ritter. Und dann begann der Kampf zwischen beiden. Immer mehr wurde alles Mögliche in den Vordergrund gestellt… und die Slawen… diese lästige Geschichte mit der angeblichen Vermischung… alles nur einer der Gründe, wie man sich eben einen Freibrief von Magdeburg und vom Kurfürsten holen konnte, um nun gegen diesen Mann in Sebnitz vorzugehen."
Lug, Trug und Verrat.
Ich habe die Nase voll… nein, nicht von diesem Niesen, was mich immer mal wieder plagt… Von diesen Ränken eher, die sich um mich her bewegen und denen ich nichts entgegenzusetzen habe, als eben meine Gedanken. Und die sind gerade mehr beeinflusst von Mord und Totschlag an Herren, denen ich zurzeit Treue schulde…
"Der Ritter sprach mit dem Markgrafen und der sollte ihm helfen, um den Böhmenkönig nicht noch weiter vordringen zu lassen. Aber was mich bis heute verwundert, ist, dass kein anderer Vasall aus der Gegend sich beschwerte. Sollte der Böhme wirklich nur an einer einzigen Stelle zugeschlagen haben? Oder war das gar erfunden und der Ritter wurde damit geprüft? Ich weiß es nicht, edler Herr mit dem Kupfergeld. Aber Ihr wisst nun erst einmal, was Ihr von der Wahrheit und diesen Herren hier oben zu halten habt. Setzt dieses Wissen klug ein. Ich glaube fest daran, dass man damit einen Krieg beginnen und Herren stürzen kann. Lasst nicht zu, dass Ihr so einer der Herren seid, ja?"
Der Kleine geht. Er schleicht eher… und bald verschmilzt sein Bild mit den grauen und braunen Steinen der Kirche, an der er vorbei schleicht, um sich schnell und unbeobachtet von dannen zu machen.
Was habe ich nun gelernt?
Oh, ich wage nicht, es auch nur auszusprechen oder wirklich fest und unnahbar zu denken…
Ich bin ein Spielball… und ich werde es bleiben, solange ich mit mir so umgehen lasse. Aber was könnte ich… ich allein… was könnte ich denn tun mit meinen zwei Reisigen und natürlich noch meinen Brüdern und Bogumil? Auf die Dörfler darf und will ich mich nicht verlassen. Zu sehr sind sie doch bereits Spielball in diesem Geschehen, dass ich sie sicher erzürne und sie sich dann ganz auf eine mir noch fremde, aber eben andere Seite schlagen. Es soll schon Herrschaftsgebiete gegeben haben, in denen sich die Einfachen, die Unfreien und das Gesinde erhoben und einfach ihre Herren niedermachten. Denke ich an die Abgaben, die sie nun alle zu tätigen haben, und an die Gefahr, dass der Böhme, wenn er endlich, von Avignon kommend, in Aachen und Würzburg haltmachte und sich dann in Böhmen auf dem Karlstein niederlässt, um sein neues und noch größeres Reich regieren zu können, dass er dann auch noch kommt und wieder etwas fordert, was ihm doch nun wirklich nicht zusteht, dann wird mir ganz anders.
Zurück muss ich. Kriegsrat halten.
Kriegsrat… im Frieden? Gegen einen Markgrafen, einen Bischof und einen Kaiser, der auch noch beide Reiche regiert und deren König er ist, an deren Grenze wir uns niederließen und unser erstes eigenes Land sicherten.
Oh… das wird… kein gutes Leben in den nächsten Wochen. Und doch muss ich eine Entscheidung treffen. Ganz sicher keine, für die man mich lieben wird. Weder hier noch dort… wo auch immer.
Angewidert vom Tag und dieser Welt gehe ich nun wieder in meine Kemenate, um mich zur Heimreise zu rüsten. Niemand entließ mich wirklich. Auch kann es gut sein, dass ich bei allen hier schon in Ungnade falle, wenn ich jetzt wirklich gehe. Aber wenn ich es nicht tue, dann begehe ich mit Sicherheit eine Dummheit… eine ganz gewaltige. Und davor habe ich mehr Angst, als vor dem, was mich vielleicht erwartet, wenn ich wieder hierher komme.
Die Burg liegt schon bald hinter mir und ich sehe den Fährmann… seinen Sohn eher… also den neuen Fährmann gerade mit dem Boot an diesem Ufer der Elbe anlegen, zwei Reisende ohne Pferde aber mit viel Gepäck ausladen, ihnen noch eine Kutsche rufen und sich für die Rückfahrt wappnen.
Zum Glück hört er mein Pferd kommen und wendet sich um, erkennt mich vielleicht gar… oder eben nur meine Gestalt und mein Pferd. Und er wartet. Ist er froh, noch einen Fahrgast hinüber zu haben, der ihm für die eh' notwendige Rückfahrt zu seiner Hütte ein paar kleine Stücke Kupfer einbringen würde? Oder ist es eher so, dass er in dieser anbrechenden Dunkelheit Angst bekommt, noch einmal solchen Männern anheimzufallen, wie es die waren, die seinen Vater in die Fluten stürzten? Die Strudel da sollen nicht ohne sein und man kann schon als starker Mann ohne einen Tag an den Seilen in Gefahr kommen. Doch er steht und scheint sich sicher, mich noch fahren zu wollen.
"Lange wart Ihr in der Stadt!"
Merkt er sich das oder lässt er es sich von anderen berichten? Ein Fährmann gilt in der Regel auch als gut unterrichtet, kann sich mit Freund und Feind vertragen und darum ist es eben auch besonders verwerflich, wenn man so mit seinem Vater umging.
Mit mir hat er keine lange Rede. Ich setze nur über und gut. Er dankt mir trotzdem für das wenige Kupfer, was ich noch habe.
Der Ritt ist umständlich. In der Nacht kommt man nicht so gut voran, muss keine zu großen Umwege reiten. So bin ich am Morgen schon in der Nähe von Sebnitz und brauche mich nicht mehr zu verstecken.
Natürlich ist das Hallo meiner Brüder und Genossen groß. Heidrun kommt sogar und bietet mir einen Willkommenstrunk. Ich lächle sie an, was sie gleich wieder tiefrot im Gesicht werden lässt. Was sie nur hat? Immerhin musste sie von mir nichts erdulden und schien, im Nachhinein betrachtet, gar froh, dass wir sie vor den Schandauern schützten und sie nun bei mir, bei uns… eben in Sebnitz ihr Auskommen hat.
Ich trinke schnell, suche dann unter den Männern um mich den Schulzen, der sich jedoch nicht blicken ließ. Man soll ihn suchen und gleich zu mir bringen. Für eine Feier zu Ehren meines Einzuges von Meißen her haben wir nun wirklich keine Zeit. Das wird man doch sicher einsehen… gerade, wenn die Gefahr besteht, dass Karl in den nächsten Tagen und Wochen zurück ist und sich an sein angebliches Lehen an der Elbe erinnert. Oder er übergab jemandem aus seinem Gefolge diesen Auftrag. Dann… ja, dann hätten wir keine Schonfrist mehr. Denn wenn die schließlich in Böhmen begriffen, dass man die Kaiserwahl nicht unbedingt lange feiern sollte, sondern eher dafür Sorge zu tragen hätte, den neuen Titel und die damit verbundene Macht auch zu erhalten, dann werden sie aktiv. Ob man dabei überhaupt noch das Steintor und die Verbindungslinie hinunter zur Elbe und nach Kamen als eine Grenze zwischen den Reichen ansieht, das bleibt wohl dahingestellt.
Es dauerte natürlich wieder einmal eine ganze Weile, ehe die, die ich sprechen wollte, auch wirklich bereitstanden. Dazu noch denen, die dabei nichts zu suchen hatten, weil sie eh' nur tratschten und sich blöde hatten oder eben nicht alles weitererzählen sollten, beizubringen, dass sie nun verschwinden sollten, obwohl der Herr des Dorfes eben erst ankam und sie darum doch eigentlich hofften, noch das Eine oder Andere zu erfahren, das dauerte auch eine Weile.
Endlich hatte ich alle bei mir und Benesch schaute noch einmal nach dem Schulzen, der schon vor einer Weile bei uns sein wollte, sich dann auch wirklich aus den Armen seines Frauenzimmers befreite und ankam, als wenn er doch eigentlich kein Wässerchen trüben könne. Dass es nun gerade um das ging, was er mir fast hinter vorgehaltener Hand erzählte, konnte er zwar nicht in jedem Falle erahnen, doch aber annehmen, denn immerhin war ich natürlich einzig und allein darum nach Meißen geritten. Vielleicht wollte er mich auch nur loshaben? Nein, das sollte ich nicht denken.
"Männer, wir wurden verraten!"
Der alte Spruch, den mein Urgroßvater schon einmal sprach, als er in Prag stand und von einem heimlichen Boten erfuhr, dass Philipp von den Franken den Orden zerschlug und den Papst in seiner Gewalt hatte, der war sicher der rechte für diesen eigentümlichen Moment.
Natürlich bekamen besonders die große Augen, die ihn noch nicht kannten. Meine Brüder, die genauso wenig wussten, wie alle anderen außer mir, die sahen ganz gelassen um sich. Das war mir egal. Ich wollte die nötige Aufmerksamkeit besonders derer, die noch nicht so fest zu mir standen. Mit meiner eigenen Familie konnte ich mich schon noch einigen.
In kurzen Worten berichte ich nun von den Vorkommnissen der letzten Tage.
Einmal wird es mir auch nicht ganz klar, wie sich alles so fügte. Wer mag dem Gnom, dessen Namen ich immer noch nicht kenne, wohl gesagt haben, dass ich gerade da und nirgends anders sitze und für diese Art von Neuigkeiten auch noch empfänglich bin?
Der Bischof und der Kurfürst hätten sich also nach dessen Worten miteinander verschworen. Nur eben… gegen wen? Gegen das Dorf? Was hätte das für einen Sinn? Keinen natürlich. Und wenn sie sich gegen den Kaiser und König der Böhmen und Deutschen zusammentaten, dann war dies sicher inzwischen durch die Kaiserwahl und deren offizielle Bestätigung hinfällig.
Nur ein eigennütziges Hassen des Bischofs wegen seines eigenen schwachen Fleisches? Das kann und will ich nicht glauben. Denn wenn dem so wäre, dann hätte… ja, dann hätte der Mann, der aus Isenburg nach Meißen kam, kein Recht, sich als einen ehrlichen Mann Gottes darzustellen… Ja, das ist es vielleicht.
Angst vor dem Verlust der eigenen Macht.
Macht… die hat schon so viele Verrücktheiten heraufbeschworen… und nicht zuerkannte Macht… noch viel mehr.
Was tut der Markgraf bei alledem? Hat er etwas davon, wenn sein Bischof, dem er doch eigentlich nichts zu sagen hat, wenn der stärker und unantastbar ist? Gilt das nicht eher als ein Makel seiner Markgrafschaft? Und der Kurfürst? Hat der auch seine von der Gischt geplagten Finger im Spiel? Ich weiß nichts und tue doch so, als wenn ich über alle Hintergründe bestens Bescheid wüsste. Sonst, das weiß ich leider auch nur zu gut, sonst würde mir niemand hier auch nur ein Wort glauben.
Verdammt… und vor mir stehen diese Männer und wollen wissen, was ich fand und was nun zu tun sei. Nicht einfach. Sie werden verstehen, wenn ich zaudere. Zu groß, zu gewaltig sind meine Anschuldigungen, die ich erheben muss, ohne sie doch wirklich beweisen zu können. Und selbst dann bleibt abzuwarten, ob man überhaupt auf mich, einen enterbten Böhmen, hören würde.
Und doch staunen alle um mich, als ich von alledem berichte. Ob sie es glauben? Es ist mir herzlich egal. Ich will nur und unbedingt, dass sie es wissen. Einer sollte nie allein Träger solcher Worte sein. Er muss sich mitteilen, sonst ist er in ernster Gefahr. Gegen viele… ist es schwieriger, sich durchzusetzen… und sie einfach zu meucheln, verursacht zumindest Aufsehen und bedingt vielleicht eine Nachforschung. Wer die wohl heute gerade dabei will?
Der Schulze nickt eine Weile wie im Wahn vor sich hin, als ich die Geschichte vom Böhmen Karl erzähle, der sich hier als Herrscher über alles Land aufspielt und der nun auch noch Kaiser wurde.
"Der alte Mann in Avignon hat sicher nur einen Fehler gemacht. Oder er wurde bestochen, wie man es gern bei den hohen Herren zu tun pflegt. Aber den Böhmenkönig, den wir schon kaum als einen der Deutschen anerkennen wollen, den zum Kaiser zu krönen… das ist ein Fehler, wie man ihn nicht größer machen könnte!"
Der Mann, so arm und dumm, wie er vielleicht von Geburt und Stand her ist, so klug scheint er doch auch zu sein… und erkennt die wenigen Zusammenhänge richtig, die ich schon nur mit Mühe auseinanderhalten kann.
Als ich später von Ronald und seinen Gelüsten gemeinsam mit dem Bischof berichte, herrscht ein eisiges Schweigen.
Zu oft schon musste man diese angebliche Liebe zwischen Männern tolerieren und schüttlet doch immer wieder nur den Kopf darüber.
Männer und Männer… Wo sind da Lust und auch der Sinn der Vereinigung? Kinder… gehen daraus nicht hervor. Und man kann ebenso wenig Bündnisse besiegeln. Nur Hass und weiterer Unfriede entstehen so in einem Maße, das es jedem Angst werden kann.
Erst will der Schulze laut einhaken und den Ritter Ronald von einer Schuld in diesen Dingen, wie wir es nennen, völlig freisprechen. Als er aber hört, wer mir dies auf dem Burgberg berichtete, ist er still. Das wundert mich und ich muss mir merken, ihn noch einmal genauer zu befragen. Vielleicht kennt er den Gnom und weiß, in welcher Beziehung er nun gerade bei diesen ganzen Dingen steht? Das kann in diesem Moment noch nicht wichtig sein.
"Man ahnte nicht nur, man wusste also in Meißen Bescheid und wir erfuhren nichts. Vorführen wollte man uns also. Schande über diese Kerle da! Mögen sie nun auf Jungen oder sonst was stehen… es gibt gar Weiber, die es mit Pferden treiben… nun ja. Doch das hier, das ist mehr als nur Verrat…"
Natürlich geht es nun hin und her und ich bin froh, als endlich wieder einmal Heidrun vorbeikommt und sich um die Gäste… oder eher die Streitenden kümmert. Ich sage dazu erst einmal nichts, denn ich will, dass sie sich aussprechen, dass sie wirklich alles bereden, was ihnen auf der Seele brennt und dass sie nun auch erkennen, dass wir nicht gerade einen einfachen Stand haben.
Während meine Brüder dasitzen und versuchen, sich ein Bild von dem zu machen, was nun noch auf uns zukommt, rafft sich der Schulze auf und kommt zu mir herüber. Ich suchte mir einen Platz am Brunnen und kann da ganz gut in der Kühle des Abends und doch in der Wärme des Feuers sitzen.
"Herr verzeiht mir!"
Was soll ich denn nun wieder verzeihen? Jedes Mal muss er sich erst groß und breit entschuldigen und ich suche dann eine Weile unnütz herum, ehe er irgendeine Lappalie benennt, die mich eh' nicht weiter interessierte, der er aber soviel Bedeutung verlieh, dass es einen schon wieder ins Grübeln treibt.
"Ja, ich habe Euch falsch eingeschätzt."
Wobei? Kann er sich nicht wenigstens jetzt, da wir ganz allein und etwas abseits der Anderen sind, einmal ganz erklären?
"Nun, als Ihr unseren Ritter davongejagt habt, da glaubte ich, Ihr währet nur eben zum Bischof gegangen und hättet um diesen Ort gebeten. Doch nun, da Ihr soweit alles schon einmal versucht habt, um uns vor einer zusätzlichen Abgabe an Böhmen zu bewahren, da glaube ich eher, dass man Euch wirklich hierher schickte, weil der Bischof es so wollte. Und wenn ich mich recht besinne, dann versprach Euch der Pfaffe auf dem Burgberg doch noch mehr?"
Ja, das ganze Land. Vom Tor bis nach Meißen. Ich soll es befrieden. Alle diese Güter, all diese Gegenden und kleinen Dörfer. Auch da, wo die Fischer leben, wo man versucht, eine kleine Stadt zu bauen und wo noch Wälder sind, durch die vielleicht noch niemand streifte. Ich kann mir all dies gar nicht so recht vorstellen.
"Und… glaubt Ihr immer noch, dass er sein Wort hält? Gerade jetzt, wenn der Gnom… ja, ich kenne ihn… wenn der Gnom Euch die Augen öffnete?"
Der Gnom…
Ich frage natürlich nach und der Schulze zuckt nur mit den Schultern.
"Der Mann kam einmal mit dem Bischof hierher gereist. Dabei lernte ich ihn kennen. Er ist wohl im Dienste des Markgrafen und für die Sicherheit einiger Wege verantwortlich. Ja, der. Nicht etwa, dass ich ihm dies wirklich zutraute. Aber er scheint ein wichtiger Mann zu sein. Durchtrieben, aber fair… und wenn er jemandem etwas verrät, dann nie ohne Hintergedanken."
Nie ohne…
Und was hat er bei mir für welche?
"Oh, das kann ich nicht sagen. Er wird es wissen. Es wäre schlimm, wäre es nicht so. Aber ich glaube, er erhofft sich immer gute Verbindungen in alle Richtungen der Kur, der Mark und des Bistums. Ihr versteht?"
Ja… auch zu mir. Mich machte er zu seinem Freund, indem er mir verriet, was ich so erst in Wochen oder nie herausgefunden hätte. Und ich wollte ihn… Ich habe ihn verprügelt, durch die Gegend geworfen… Er redete trotzdem.
"Freund? Nein, glaubt das nicht! Verbindungen… ja, die will er. Freunde? Nein, das ist anders. Er vergisst nichts. Auch wenn er fair umgeht mit allen. Er denkt sich seinen Teil und zieht wieder und wieder einen Faden ganz im Hintergrund. Wenn man es dann am wenigsten vermutet, ist man wieder in seiner Schuld und er fordert rigoros ein, was er denkt, dass es ihm zusteht."
Aha!
Nun, zu schön kann es nicht sein, wenn man sich mit einem Meißner einlässt. Egal, mit wem.
"Was gedenkt Ihr zu tun, nachdem Ihr wisst, was man in Meißen mit Euch macht und Ihr ahnt, dass das alles kein gutes Ende nehmen kann?"
Ja, was? Rache. Ich habe das Gefühl, das ich Rache nehmen muss. Ich weiß nur zu gut, dass dies kein Weg ist, sich gottgefällig in dieser Welt zu bewegen. Aber wenn ich mir mein Recht auf Ehre und auf Einlösung gegebener Versprechen nicht erhalte, dann…
"Hinko… willst du uns alle hier allein reden lassen oder hast Du schon kein Interesse mehr an unserem Land?"
Unser Land… wie er das sagt. Und dabei ist es doch Baresch, der sich nie so recht entscheiden kann. Ob er wohl eines Tages in den Dienst von Bruno tritt, der auf seinem Erbteil sitzt und sich immer noch fragt, ob er uns nicht hätte begleiten sollen? Dann wäre ich sicher nicht hierher in dieses von Intrigen geschüttelte Land gekommen. Denn was wäre mein Preis gewesen? Oh, ich sehe es förmlich vor mir… Der Erbe der Familie streitet mit den Wettinern und dem Bischof und vergrößert damit seinen Einflussbereich. Nein, Bruno… das ist nun zu spät. Außerdem wäre es dem Bischof von Meißen sicher nicht recht, wenn ein Mann mit genügend Rückhalt sich in seine Geschäfte drängte. Da waren wir, die wir alle nichts mehr von Leben und Erbe zu erwarten haben, wohl die bessere Wahl.
Und… was haben sie gewählt?
Wenn Benesch mich schon aus meinem Gespräch mit dem Schulzen reißt, sollte er auch einen guten Grund haben.
"Was wollt Ihr nun? Genug geredet?"
Sie mögen es nicht… keiner von ihnen… wenn ich sie so von oben herab anspreche. Und doch… Ich muss es tun, denn wir werden beobachtet. Nur… gemeinsames Palaver darf nicht zu einer folgenschweren Entscheidung führen, die wir dann vielleicht lediglich mit Unterstützung des Dorfes und des Kaplans durchsetzen können.
Der Mann fällt mir ein… der Kaplan… unser Pfaffe.
Warum sah ich ihn heute noch nicht?
"Der ist sicher unterwegs und will ein paar Slawen in den Bergen weiter im Osten befrieden. Der kommt schon nicht weg!"
Hat er sich abgemeldet? Nein, natürlich nicht. Und wenn er nun ebenso nach Meißen reiste, sich da Rückhalt von seinem Bischof holt und uns nun vielleicht gar in den Rücken fällt… bei was auch immer?
"Der? Der soll uns nur kommen!"
Baresch ist in seinem Element… eher in einem feucht-fröhlichen, wie man es ihm selten ansieht, aber er es genießt.
Mein Wein hält das alles nicht lange durch. Ich muss mich mit dem Schulzen gutstellen, damit er die Abgaben doch noch etwas verändert und ich zumindest von diesen Fässern stets genügend in der Vorratskammer habe.
"Ich glaube, wir sollten zum Karlstein reiten und dem Kaiser sagen, was wir hier erlebten. Dann kann er entscheiden. Ist er ein gerechter Mann, wird er auch gegen sein eigenes Tun entscheiden und sich entschuldigen. Dann ist alles aus der Welt und wir können sehen, wie wir mit dem Bischof in Zukunft klarkommen."
Mit dem Kaiser…
Ich… zum Kaiser…
Ja, ich bin ein Böhme, stehe im Dienste… nein, halt… ich stehe im Dienste der Kirche. Der Bischof darf mich nach Avignon verweisen. Aber… der Kaiser hat doch bei alledem nichts zu sagen, oder?
"Unser Ritter meinte, die Mark würde erweitert und der Bischof solle darum endlich Klarheit schaffen. Der wollte das aber nicht und auch darum ging unser Herr damals nach Meißen, um sich direkt mit dem Markgrafen zu beraten. Dass dies ein Fehler war und er damit uns allen fast den Boden unter den Füßen wegzog…"
Ja. Jedoch... eines geht mir nicht ein. Ich versuche immer wieder in lichten Momenten, wenn ich an nichts anderes zu denken habe, daraus schlau zu werden… Konnte Ritter Ronald denn wirklich so dumm und unvorsichtig sein, dass er uns einfach in sein Reich einfallen ließ? Nein, das verstehe ich nicht und ich werde den Verdacht nicht los, dass dabei der Bischof die Finger im Spiele hatte… oder dass der Ritter ahnte, was auf ihn zukommt und er genau dies in Demut ertragen wollte.
"Nein, er stellte sich jedem Kampf. Auch wenn er sich vielleicht eher mit Männern, als mit Weibern abgab… Ist es denn nicht das Weib, das die Sünde als Erstes beging? Dann hat das Weib auch keinen Anspruch auf den Mann. Unser Ritter war ein guter und gottgefälliger Mann."
Er kann glauben, was er will, der Schulze…
Nein, ich vertraue weder dem Ritter, den wir vertrieben, noch Meißen. Ob ich einem Kaiser trauen darf, der die Grenzen als König beider Länder nicht achtete…?
Nicht achtete…
Warum komme ich darauf?
Nein, er musste sie nicht achten und man macht vielleicht gar aus diesem Kampf, dieser zusätzlichen Abgabe einen Grund, um uns vom Kaiser, unserem König, abspenstig zu machen, ihm den Gehorsam zu verweigern, um dann eines Tages als Vogelfreie davongejagt zu werden. Oder übertreibe ich dies?
"Gehen wir zum Kaiser. Bitten wir ihn um einen Rat und einen Spruch. Er allein vergibt die Ländereien an die hochwohlgeborenen Herren. Und stirbt ein Kaiser oder wird ein neuer gewählt, so kann es schnell zu Veränderungen kommen. Was nun, wenn die Mark plötzlich kleiner würde und Karl uns in seiner Weisheit alles zuspricht, was wir binnen Jahresfrist unter unsere Fittiche nehmen können? Das wäre ein sehr weiser Spruch und dazu auch noch eine Tat, die in der Geschichte und im Reich sicher ihre Würdigung findet… So, wie der ersoffene Staufer, den sie immer noch verehren und auf dessen Rückkehr und Kampf für eine bessere Welt sie hoffen, diese treuen Deutschen…"
Ich sehe es vor mir… sie haben nun einen Böhmen über sich. Nein, nicht wirklich. Karl ist und bleibt ein Luxemburger. Aber was hat ein Geschlecht schon zu sagen, wenn man sich eher einem Volke zugehörig fühlt, das man regiert? Und dass er das gut macht… scheint zumindest der Papst in Avignon zu glauben. Sonst…
"Also, was tun wir? Reisen wir alle auf den Karlstein, hoffen auf den baldigen Einzug des Kaisers auf seiner Burg und bitten ihn da mit einem Kniefall um die Gebiete?"
Um die Gebiete… ja, das wäre es. Brauchen wir dazu nicht noch ein paar Tatsachen, die man nicht mehr von der Hand weisen kann? Ich weiß es nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass der Bischof es verdient, erst einige Dämpfer zu bekommen, ehe er den letzten und ihn vielleicht vernichtenden Schlag erfährt… den Verlust seiner Gebiete und das zugehörige richtende Wort des Kaisers aller Christen im westlichen Römischen Reich. Auch wenn ich noch nicht überzeugt bin… Es wäre ein Weg.
Durch ein Land zu reiten, in dem viele der einfachsten Leute nun schon feiern, dass ihr Herr zum Kaiser gekrönt wurde, kann eine Freude sein, wenn man in dieses Land gehört.
Uns sieht man an, dass wir Böhmen sind. Auch wenn ich einige Bedenken anmelden musste, ob wir denn Sebnitz in dieser Zeit kurz vor dem sich schon hart ankündigenden Winter allein und schutzlos zurücklassen dürften, so machte Baresch mich genau darauf aufmerksam… der Ronald kommt sicher nicht zurück und die Dörfler haben keinen Grund, sich uns gegenüber feindlich zu benehmen. Für ihre eigene Sicherheit werden sie sorgen. Das ist schon in ihrem Interesse und so sind sie ganz gescheit im Umgang mit Speer und Dolch. Auch wenn es ihnen natürlich als Niedere strikt verboten ist, sich gegen Ritter oder andere höhere Angreifer zu stellen. Das Recht des Dorfes dürfen sie verteidigen.
Bogumil, der mich inständig bat, nicht mit zum Karlstein zu müssen, blieb zurück. Er wird sich mit den Dörflern jeden Tag einmal aufmachen und eine weite Runde um das Dorf drehen. Zumindest verspricht er dies. Ob er es in seiner nun schon ziemlich gewachsenen Fülle wirklich wagen wird, über die Plateaus zu klettern und sich zwischen den noch nicht gefällten Bäumen hindurchzuzwingen, sei dahingestellt.
Was wurde aus unserem Vorhaben, doch weitere unumstößliche Tatsachen zu schaffen? Nichts. Denn eines konnten wir uns gewiss sein. Wenn man in Meißen erführe, dass wir uns über weitere Dörfer hermachten, und es dem Bischof nicht gefällt oder der Markgraf ihn darum zur Rede stellt und er in seiner Feigheit nichts mehr wissen will von der alten Vereinbarung vor unserem Zug nach Sebnitz, dann stehen wir nicht nur allein, sondern werden bei unserer Rückkehr aus Prag das Dorf unter Waffen sehen… Nicht zu unserem Schutz, sondern um uns fernzuhalten.
Der Kaiser mag entscheiden. Er ist weise. Er sollte es sein. Und wenn er die rechten Ideen hat und einen Spruch findet, dem sich niemand entziehen kann, dann ist es gut und wir können immer noch tun, was wir uns vornahmen.
Das Wetter schlägt um, als wir schon bei Melnik sind und den Rauch der Herdfeuer von da herüber riechen können. Es hilft nichts. Bei diesem Schneefall müssen meine Brüder und ich doch einkehren und einen Unterschlupf finden. Nicht einmal die rechte Kleidung tragen wir. Und wenn wir nicht im Frühjahr erfroren auf einer der Ebenen gefunden werden wollen, müssen wir uns eilen, einen Unterschlupf suchen. Das kann schwierig werden, denn ist es einmal kalt, will man seine Vorräte lieber sparen und nicht teilen.
Im Ort ist man auf fremde Reiter nicht eingerichtet. Natürlich scheint erst einmal alles in Ordnung. Als wir den Herrenhof aufsuchen und da auch Gehör finden, will man uns aber lieber beim Spital vor dem Tor wissen, als im Ort. Es gingen einige Seuchen um, und da wir aus dem Westen kämen, woher in den letzten Jahren einige Diebesbanden kamen, die wohl erst ähnlich ehrenwert aussahen, wie wir heute, die dazu mit allem Möglichen im Gepäck reisten, so hat man sicher ein Recht darauf.
Schließlich und endlich haben wir Glück. Eine hohe Persönlichkeit weilt bei der Familie zu Besuch und wir können zu ihr… ihm besser. Der Markgraf von Mähren, ein Kind dieser Stadt, der sich schon einige Jahre als verdienter Graf von Tirol einen Namen machte und nun näher an der Heimat leben darf, empfängt uns.
Johann Heinrich, einer der Luxemburger, ist ein weiser und großer Mann. Er steht vor uns in seinem Haus… eher in dem seiner fast verarmten Eltern. Wie es aussieht, sah er sie einige Jahre nicht und hat das Glück, sie überhaupt noch am Leben zu treffen. So kann er an ihnen gut machen, was er all die Jahre zuvor versäumte.
"Was führt Euch in diese Stadt?"
Ja, das fragte man uns bereits einige Male. Ich versuche, mit knappen Worten zu erklären, warum wir zum Kaiser wollten und was Böhmen im Dienste der Sachsen und der Kirche jenseits der Grenze machen. Natürlich schmunzelt der Markgraf nach einer Weile, weil ich zum wiederholten Male versuche, viel zu sprechen, ohne etwas zu sagen.
"Ihr habt einen geheimen Weg vor Euch. Gut. Dann soll es so sein. Ich biete Euch Schutz, soweit ich dies in dieser Stadt darf. Sie ist eine Königsstadt und wird sicher nun, da unser aller Karl zurückkehrt nach Böhmen, auch zur Kaiserstadt werden. Und als legitimer Markgraf werde ich im Frühjahr selbst zu ihm reisen, meinem Verwandten die Aufwartung zu machen. Ihr versteht? Bis dahin kann ich Euch hier halten und dafür sorgen, dass es Euch an nichts fehlt!"
Nein, so lange wollen wir nicht bleiben. Der weitere Weg ist nicht so anstrengend, dass wir ihn nicht auch bei Eis und Kälte bewältigen können. Nur einen Unterschlupf in diesem ersten Schnee und warme Kleidung benötigen wir. Mehr nicht.
Johann Heinrich lacht nun laut heraus. Er scheint sich in diesem einfachen Haus wohlzufühlen. Vielleicht, weil er es eben schon so lange kennt. Aber dass er uns nun sogar aus seiner eigenen Schatulle ausstattet…
"Ich kannte Euren Vater. Nur flüchtig. Aber er war ein aufrechter Mann. Und es scheint mir sicher nicht zu falsch von ihm gewesen, dass er das Erbe an einen der Söhne gab. Denn Ihr habt das Zeug, Euch alle selbst zu versorgen… das gefällt mir besser, als diese speichelleckenden Hunde, die nur darauf warten, dass man ihnen noch ein Stück Land mehr zusteckt und die Eltern endlich sterben. Also, stattet Euch aus, wartet den Schneefall ab, stärkt Euch… und dann geht mit Gott. Grüßt den Kaiser von mir, so er wirklich schon wieder auf dem Karlstein ist. Und sagt ihm auch, dass ich meine Aufwartung nicht vergesse. Er darf fest mit mir rechnen… im Frühjahr. Jetzt jedoch verdienen meine Eltern meine Anwesenheit. Ich weiß nicht, ob der Vater diesen Winter überleben wird."
So geehrt kann man sich schon ein wenig glücklich schätzen. Dabei ist es doch ein durchtriebenes Spiel, was wir zu spielen begonnen haben… den eigentlichen Herrn gegen den Kaiser spielen lassen. Ist es nun ein glücklicher oder eben nur ein zufälliger Umstand, dass Karl gerade zu einer Zeit zum Kaiser erhoben wurde, in der wir ihn so sehr brauchen?
Als ob der Markgraf von Mähren meine Gedanken lesen kann, sieht er mich an, nickt ganz langsam.
"Die Böhmen, die Mähren und das ganze Reich des neuen Roms brauchen eine starke Hand. Wenn schon der Papst sich nicht einmal in der Ewigen Stadt aufhält, sollte wenigstens der Kaiser sich dahinstellen, wohin er gehört… in die Heimat!"
Drei Wochen sind wir doch in diesem Melnik und ich mag die Stadt nicht. Ob es unser Dorf auch eines Tages zu einer Stadt schafft? Wenn ja, dann hoffentlich nicht so groß und so dreckig, wie hier. Es ist vielleicht das Los der Städte? Wenn ich an Meißen denke… und das muss ich laufend, solange wir noch keinen Verrat begingen. Denn noch sind wir nur unterwegs, um eben einmal den Kaiser zu besuchen. Ob von Gott und dem Bischof gewollt? Wer kann es sagen?
Beunruhigende Nachrichten treffen ein. Markgraf Wilhelm von Meißen soll sich immer noch und wieder mit unseren Verwandten, den Donyn, schlagen und ihnen das Leben schwermachen. Das verstehe ich nicht. Die haben nur ein paar Besitzungen an den Grenzen und sind doch keine Gefahr für einen Herrscher, wie diesen Wilhelm. Vielleicht sagt er uns so in seiner offenen und ehrlichen Art, dass er von den Böhmen nicht viel hält? Warum gestattet er dann dem Bischof überhaupt, mit uns zu verhandeln?
Ich habe wieder Fragen, die ich nicht beantwortet bekomme.
"Sag mal, Hinko… wie wäre es denn, wenn wir uns zusätzlich zu unserem Plan auch noch mit den Donyn verbinden? Das ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wir könnten doch einiges an Stärke gewinnen!"
Stärke… ja. Und wenn wir Bruno auch noch besuchen, also allen zeigen, dass wir nicht nur beim Kaiser um Hilfe ersuchen, sondern es mit der Familie halten, dann…
Ich wage nicht, daran zu denken. Doch er hat recht, der Jaro. So jung, wie er ist… einige Gedanken scheinen schon weiterzugehen, als bis zum nächsten Weib oder zum guten Essen am Abend.
Wir können weiter. Der Karlstein ist nicht mehr fern, und wie wir neben den schlechten Nachrichten aus Meißen hörten, gibt es auch gute. Der Kaiser zog mit großem Gefolge in Prag ein, feierte da seinen Stand, gab Audienzen und zog sich noch in diesen Tagen erst auf die Burg bei Prag zurück, die schon zu Beginn seiner Herrschaft als König unseres Volkes seinen Namen erhielt und die er stetig erweitern und befestigen lässt.
Johann Heinrich wünscht uns noch einmal Glück und wir ziehen nach Südosten. Der Weg ist nicht weit. Wir kommen gut voran, ehe wir die Burg hoch oben am Felsen liegen sehen.
Gewaltig erhebt sich der Bergfried und die Mauern lassen vermuten, dass viele Hände hier wirken mussten. Einem Kaiser würdig? Vielleicht. Bisher zogen die Kaiser durch ihre Lande und hielten überall Gericht und Hof, wo es von Nöten war. Karl scheint anders zu sein. Gut, dann wird er häufiger hier residieren. Das kann uns und dem Ruf des Kaisertums nur nutzen.
"Was wollt Ihr hier?"
Noch sind wir unterhalb der Burg. Einiges in diesem kleinen Nest, das sich eng an den Felsen und damit nahe an den Schutz der Burg drückt, erinnert an Meißen und den dortigen Burgberg. Und doch ist so vieles anders. Nicht so groß, nicht so weiträumig und auch nicht so eine Lage, wie dort, finden wir hier. Aber dafür alles, was wir suchen… schon ein paar Wachen hier unten, die uns als Fremde sehen, was ja stimmt, und die, da der Kaiser besonders zu schützen ist, nun natürlich fragen… mit allem Recht und aller Ehrerbietung, die man dazu verwenden muss… was wir hier wollen.
Ich rede nicht. Jaro tut es an meiner statt. Er ist jung, er kann lernen, sich auch in solchen Situationen zu bewähren.
"Gut, Ihr wollt zum Kaiser… doch er empfängt nicht Euresgleichen!"
Was bedeutet das? Frech kommt es mir vor, was der Mann mit dem viel zu großen Kettenhemd und den ihn sicher bis zum Abend schmerzenden Stiefeln, die seine Beine und Füße zusammendrücken, da zu uns sagt. Wir reisten von so weit her an und…
"Ach, was… der Kaiser kommt aus Avignon und da redet Ihr von Ferne? Nein, gehabt Euch wohl. Zu ihm könnt Ihr nicht!"
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