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und Foto: Stefan Jahnke
Leseprobe - Ausgelöscht
Prolog
„Warum kommst Du so spät?“ Gerolbert sieht mich strafend an, reißt mir die Zügel aus der Hand und hilft mir, ganz gegen sein sonstiges Naturell, damit ich schneller aus dem Sattel komme.
Ich bin durchgeschwitzt, die ganze Nacht geritten und doch weitaus später auf dem Burgfelsen angekommen.
Die Wartburg… keine Zeit bleibt mir, mich umzuschauen, denn nachdem Gerolbert mich mehr schlecht als recht aus dem Sattel gezogen hat, treibt er mich schon wieder an.
„Er wartet. Und er ist außer sich. Lauf. Hinauf auf den Bergfried. Sei froh, dass er sich ins Turmzimmer zurückzog. Da werden nur wenige miterleben, wenn er Dich gleich bestraft!“
Ha… Strafe… Was kann ich dafür, wenn die Wege nicht sicher, die Brücken unbewacht sind und mein Ritt daher länger dauerte, als angenommen? Doch ich darf ihn nun nicht mehr warten lassen. Er wird schon Kunde von meiner Ankunft haben, und wenn ich jetzt nicht sofort zu ihm eile…
Kurz sehe ich Marthas Gesicht drüben am Treppensteig. Sie weiß, dass ich ihr zugetan bin. Aber jetzt ist keine Zeit für Minnedienste.
Die Nachricht ist zu wichtig.
Ich denke, er wird außer sich sein. Nichts kann es mehr bedeuten, dass ich erst gegen Mittag eintraf. Denn was er wollte, das habe ich nicht. Nichts ist da mehr. Alles ausgelöscht. Tot und zerstört? Verschwunden für immer! Da hilft es auch nicht, wenn er wie so oft sein Recht als Landgraf einfordert. Nein. Was nicht ist, das ist eben nicht.
Nur. Ich muss es ihm sagen…
Ich eile zum Bergfried, stolpere fast über die erste Stufe. Hinauf. Nur schnell hinauf. Wenn er mich aus dem Turm wirft, brauche ich nicht ausgeruht zu sein. Doch wenn ich Martha noch wiedersehen darf… dann kann ich mich bei ihr ausruhen.
Martha…
Was soll es. Ich muss erst meine Nachricht überbringen.
Franziskus lächelt überheblich, als ich ihn samt seinem Tablett voller leerer Weingläser fast umrenne und in das Turmzimmer stürme. Ihn konnte ich noch nie ausstehen. Als wenn er immer eine Hinterlist im Schilde führe, gegen Jeden und Alles ist. Besonders gegen mich. Und schadensfroh ist er auch. Gerade, weil ihm meine Martha nicht so zu Willen ist, wie er es gerne hätte, sie mir aber schöne Augen macht. Nun, damit muss er leben, der Mundschenk. Was ist er gegen einen Ritter? Jedoch ist er immer beim Grafen... und damit gefährlich!
Nun, was soll's? „Aus dem Weg!“, rufe ich und gebe ihm noch einen tüchtigen Stoß in die Rippen. Soll er doch zur Seite weichen, wenn er mich schon beobachtet und sich auf die Strafpredigt freut, welche ich gleich vom Grafen zu erwarten habe.
„Ist er endlich hier?! Soll ich ihm nächtens noch eine Eskorte mitgeben, damit er den rechten Weg findet?“
„Verzeiht, mein Herr. Ich bin die ganze Nacht geritten. Doch das Wetter hat viele Wege einfach fortgespült und ich musste große Umwege machen.“
„Rede er nicht! Hat er, was er mir bringen sollte? Ich sehe nichts in seinen Händen!“
Jetzt geht es los. Ich kann nichts dagegen tun. Berichte ich zuviel, wird er ungehalten. Sage ich nur, ich habe nichts, wird er außer sich vor Wut sein... und berichte ich, warum ich nichts habe, verwirke ich vielleicht mein Leben. Ferdinand und Marcus erging es ähnlich, als sie ihm die Nachricht überbrachten, dass die von ihm angehimmelte Enkeltochter von Ludwig dem Bayern nichts von ihm wissen wollte. Einfach die Treppe hinuntergestoßen hat er sie. Beide brachen sich das Genick... und er schaute nicht einmal hin.
„Herr… Ich bringe keine guten Nachrichten! Ich kann Euch das heilende Tränklein leider nicht übergeben, denn dort, wo es einst zu finden war… da ist nichts mehr!“
„Wie…?“
Ich sehe, wie sein Gesicht rot anläuft. Er schnappt nach Luft und ich erwische mich dabei, ihm heimlich im tiefsten Innern den Tod zu wünschen. Mag er doch ersticken…
„…was heißt, da ist nichts mehr? Hat sich der Alte davon gemacht und die Truhe mitgenommen? Dann gab es sicher jemanden dort, der weiß, wo er ist. Soll ich erst meine Getreuen aussenden, nur weil Du nicht in der Lage bist, dort die richtigen Fragen zu stellen…?“
Noch nie hat er einen seiner Ritter mit einem vertrauten „Du“ angesprochen.
Ich merke, wie ich immer mehr in mich zusammensinke.
Doch wen hätte ich fragen sollen?
„Herr…“ „Was heißt ‚Herr'? Wo ist die Truhe und wo ist der Alte?“
„Nichts ist mehr dort. Ich kam durch den Wald, nahm den Weg, den wir schon oft gemeinsam ritten, und stand wenig später auf dem Platz, um den sich früher die Hütten und Katen der Leute drängten. Aber nichts. Keine Hütte, kein Fundament, kein Tier, kein Fuhrwerk. Ich stand dort völlig allein.“
Der Landgraf sah mich total entgeistert an. Ich merkte schon sehr genau, dass er mir kein einziges Wort glaubte.
Wie auch?
Immerhin waren wir erst vor einigen Wochen dort.
Wie immer hatte der Alte uns seinen Besitz gezeigt, ihn aber um keinen Preis der Welt ganz hergeben wollen. Nun hatte sich mein Herr endlich aufgerafft, von seinem Besitzrecht Gebrauch machen zu wollen. Nur eben, dass ich dieses Recht für ihn ausüben sollte.
„Ritter… Soll ich Euch zum Knappen machen oder braucht Ihr erst eine Behandlung in unserem Kettenkeller? Wie soll eine ganze Siedlung so mir nichts dir nichts verschwinden? Steckt Ihr mit dem Alten unter einer Decke oder seid Ihr einfach nur zu feige, meine Weisung auszuführen und den Alten samt seiner Truhe – oder diese ohne ihn – hier zu mir her zu bringen? Spielt kein Spiel mit mir! Ihr wisst, was mir die Truhe und ihr Inhalt bedeuten. Ich kenne keinen Grund und keine Entschuldigung, die Euch hierzu einfallen könnte und die ich verstehen würde. Wahrlich keine!“
Nun, da hatte er vielleicht sogar recht. Immerhin verstand er soundso nicht immer alles. So helle war er nun wieder nicht. Auch wenn er der Landgraf war. Geburtsrecht und Titel verleihen keinen Geist. Wohl kaum!
Doch ich sehe Martha durch das mir gegenüberliegende Fenster des Turmzimmers über den Hof laufen. Nein… wenn ich sage, was ich denke, so werde ich sie nie ehrbar machen und zu mir nehmen können. Das wird er zu verhindern wissen. Er und Franziskus.
Schande über beide!
„Herr… wenn Ihr mir nicht glaubt, so lasst uns zur Siedlung aufbrechen. Überzeugt Euch selbst. Ich konnte es auch nicht glauben!“
Erst dachte ich, nun wird er mich gleich aus dem Fenster werfen. Dann wiederum konnte ich ihn schon fast an seiner Wut erstickt am Boden liegen sehen. Doch er blieb ruhig.
„Gut. Du behauptest, die Wahrheit zu sagen. Ich glaube Dir nicht. Aber wir haben schon zu lange zusammen manchen Gang erfolgreich zu Ende geführt, als dass ich Dich verdamme. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Du sprichst wirklich die Wahrheit, was ich nicht glaube, oder Du steckst mit dem Alten unter einer Decke.“
Gerolbert kam gerade zur Tür herein und wollte die Gewänder des Grafen richten, da dieser gleich eine Gerichtssitzung vor der Burg abzuhalten hatte.
„Gerolbert. Sperr diesen Ritter ins Verlies. Lass ihn sich besinnen und sag dem Kerkermeister Bescheid, dass er ihn ein wenig an der Zunge ziehen soll. Morgen entscheide ich, was mit ihm weiterhin geschieht!“
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