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und Foto: Stefan Jahnke
Leseprobe - Romtourist - Columbus, Pinien, Vatikan
Kapitel 7 - Rom bei Nacht(Auszug)
"Ah, Familie Jahnke, gut dass Sie jetzt schon da sind. Sie haben eine Nachricht von ihrer Reiseleiterin. Es soll um heute Abend gehen!"
Ich ahnte Schreckliches. Gerade ging der Zeiger auf 17:00 Uhr. Wir hatten uns richtig verquatscht und ziemlich lange gebraucht, um vom Hügel des Observatoriums hinunter und zur U-Bahn zu kommen. Ob es für uns wirklich ein Erlebnis war, diese unterirdische Schüttel zu benutzen. Nun, zumindest waren die Wagen sauber, wirkten aber klapprig und machten einen alten Eindruck.
Trotzdem landeten wir irgendwann wohlbehalten an der U-Bahn-Station in Nähe des Hotels und freuten uns auf einen ruhigen Abend. Vielleicht ein wenig eher, als gestern Abendessen, dann noch eine Runde ums Hotel drehen und zeitig schlafen gehen. Denn morgen soll es ja ins christliche Rom gehen. Interessant. Bei den vielen Stationen, die auf diesem 'Dreivierteltagesausflug' anstehen, sicher anstrengend. Kann ich mir gut vorstellen!
Und nun?
Mutti öffnet das Kuvert.
"Ah, wir haben heute unsere Fahrt 'Nächtliches Rom'!"
Prima.
Genau das hatte ich befürchtet.
Gut, dann los. Jetzt essen, dann frischmachen und…
"21:00 Uhr sollen wir vor dem Hotel stehen!"
Um diese Zeit war es gestern dunkel. In Ordnung, dann sind wir auch nicht zu verschlafen… hoffe ich, denn der Adrenalinschub wird uns munter machen. Ganz sicher!
Nachdem unser Badezimmer uns ein Gefühl der Frische gab und ich auch noch eine andere Hose anzog, das Hemd wechselte und Mutti Ähnliches erledigte, saßen wir bald im Essenraum des Hotels. Für die Hausgäste fab es ein eigenes Restaurant. Das war recht groß, bot einen Blick auf die Pinien gegenüber und war nicht zu vergleichen mit dem kleinen Restaurant für die Hotelfremden, das bisher stets leer war. Obwohl es doch gerade wie eine kleine Weinbar aussah. Nun ja, wer von wirklich esshungrigen Gästen wird sich hierher verirren? Die haben die Innenstadt im Kopf… und nicht diese… mit Verlaub… Provinz eines Quasi-Vororts! Was half es…? Wir saßen an unserem Tisch und wurden gut bedient. Denn heute gab es kein Buffet, sondern Fisch. Mit Kartoffeln. Es sollte Seehecht sein. Schmeckte auf jeden Fall und war nicht schwer. Genau richtig vor der uns bevorstehenden Nacht.
Gegen Sieben waren wir fertig. Noch zwei Stunden. Vielleicht sollten wir uns einfach eine Weile in die Lobby setzten, Leute beobachten und vor uns hindösen? Ja, das war es doch!
Wir bestellten uns noch etwas zu trinken. Natürlich verzichteten wir auf Alkohol. Der macht müde. Wenn wir schon diesen Abend in der Farbenpracht der Dunkelheit verbringen wollen… Halt. Die Reiseführer und Ansichtskarten zeigten eigentlich immer ein recht buntes Treiben um die nächtlichen Stunden herum. Mal sehen, wohin man mit uns fährt!
Lustig ist es schon, so eine Hotellobby zu beobachten. Nein, wir saßen nicht klassisch wie im Krimi mit einer Zeitung hoch vor dem Gesicht und hatten in der vielleicht gar noch ein paar Sehschlitze. Wir schauten jedem in die Augen. Nur schien uns niemand außer dem Kellner wirklich wahrzunehmen. Gut, der füllte immer mal mein Wasser auf und auch Mutti bekam dann alle halben Stunden einen neuen Saft. Dabei hatten wir gar keine Flatrate, wie man das wohl nennen sollte, wenn man sich unendlich an bestimmten Dingen bedienen durfte. Alles würde auf unserer Hotelrechnung erscheinen. Aber damit, hofften wir zumindest, würden wir schon leben können.
Ein Ehepaar kam ins Hotel. Die waren mit dem PKW angereist und schienen aus dem Süden zu kommen. Italiener… welch ein Zufall… gab es welche in Rom? Ja, tatsächlich!
Sie war, wie wir Sophia Loren und viele andere Schauspieler kennen, natürlich hektisch und laut. Er sah einfach gut aus und schleppte alles, ließ sich vom Gezeter seiner Frau nicht stören und machte sein Ding. Dabei passierte es natürlich, dass ihr Schminkkoffer aufging und sich alle Lippenstifte, Kämme und sonstigen Utensilien auf dem Fußboden verteilten. Nun ging das Gezeter gleich richtig los. Verdammt. Das war ja verrückt! Natürlich trug der Mann die Schuld. Er hatte ja nur die anderen Koffer und Taschen getragen. Für das Beauty Case war sie allein zuständig… und nun wohl auch er.
Zumindest eilten gleich drei Männer hinter der Rezeption hervor und wollten der Diva, die sicher mehr als durchschnittlich war, helfen. Aber sie lehnte das ab, zeterte gar diese Helfer voll und forderte von ihrem Mann, dass er sich gefälligst mit dem Einräumen beeilen sollte. Tolle Sache. Ich glaube, ich wäre einfach auf dem Absatz umgedreht, hätte meinen Wagen genommen und mit ihm die Straße gesucht. Er war anders. Ihn schien das alles nicht zu stören. Denn er schob den ganzen Kram auf dem Boden einfach mit den Füßen zusammen. Das ließ sie gleich noch ein wenig mehr zetern. Als er ihr einen bösen Blick zuwarf, wurde sie noch lauter.
Jetzt kam seine Stunde. Er holte mit dem Fuß aus, steuerte kurz und trat geschickt, jedoch mit ganzer Kraft seiner Sohle auf den zusammengeschobenen Haufen.
Knack…
Das Geräusch war nicht laut. Jeder hörte es... trotzdem. Und alle sahen hin.
Nein, nicht wegen dieses Knackens, sondern eher, weil jetzt plötzlich absolute Stille herrschte.
Hoppla, was geschah denn da?
Ja, sie schaute ungläubig hoch drei. Nein, das ging doch nicht. Sie begriff, dass da etwas passierte, was sie nicht erwartete und was sie auch nie für möglich hielt.
Ihre teuren… oder auch billigen… Schminkutensilien…
Alle im Dreck.
Und nun auch noch kaputt. Zumindest der größte Teil davon.
Ungläubigkeit. Die war es immer noch, welche in ihrem Gesicht stand. Und während er noch einmal genüsslich auf den Haufen trat und sich die nun an seinem Schuh klebenden Reste dieses Zeuges an einem Tuch abwischte, das er aus seiner Hose zog, dieses dann angewidert ansah und in den nahen Papierkorb beförderte, schien sie wirklich nach Luft zu ringen, vielleicht gar gleich einem Kollaps nahe zu sein.
Das Personal an der Rezeption bestand aus drei Männern, die sie gerade noch wegjagte. Sie schauten ein wenig schadensfroh und konnten sich natürlich ein richtig offenes Schmunzeln nicht verkneifen. Oh weh… wenn sie jetzt die Stimme wiederfindet, dann wird es sicher sehr laut um uns alle herum! Nein, es blieb ruhig.
Langsam. Ganz langsam ging sie in die Hocke. Auch in diesem kleinen, offenen Köfferchen lag ein Tuch. Mit dem griff sie nun nach den Resten ihrer Schönheitsunterstützer… böse Zungen behaupten auch, dass es sich nur um diverse Arten von Spachtelmasse handeln kann. Sie begann, alles in diesen Koffer zu packen.
Ihr Mann griff sich den Schlüssel, der immer noch auf dem Hoteltresen lag, und ging zum Fahrstuhl. Das Wunder geschah… nachdem nur noch ein Fleck von Lippenstift und Wimperntusche auf dem Marmorfußboden zurückblieb, folgte sie ihm ohne ein weiteres Wort. Sie nahm den großen Koffer ins Schlepptau, den er bewusst und direkt für sie dort stehenließ. Da der Rollen und einen ausziehbaren Griff besaß, war es sicher nicht zu viel verlangt.
Das Paar verschwand im Fahrstuhl. Ich fragte mich schon länger, warum dieses gerade einmal zwei Etagen hohe Haus so einen großen Aufzug brauchte. Für solche Anlässe war er sicher gut.
Und schon waren sie weg. Auf dem Weg ins Zimmer. Wir lauschten. Würde es jetzt ein lautes Gezeter geben oder blieb es so ruhig wie bisher?
Nichts geschah. Nur hinter dem Tresen der Rezeption prusteten zwei der drei Männer los. Sie beruhigten sich jedoch gleich wieder und sahen nach Entschuldigung heischend zu uns herüber.
Ich lächelte und Mutti versuchte, sich an ihrem Orangensaft festzubeißen, um nicht nachzugeben und laut lachen zu müssen.
Wenig später kam die Putzkolonne. Die hatte natürlich eine Menge zu tun. Längst waren nicht alle Teile der zertretenen Beautysachen aufgelesen. Überall lagen Scherben. Sogar noch ein paar kleine Fläschchen mit Duftwässerchen schienen sich im Müll zu finden...
Und dann war da noch der Fleck... Auf dem Stein gar nicht gut. Zum Glück wurde dieser täglich blankpoliert und so konnte der Hauptteil der Reste mithilfe eines guten Reinigers schnell verschwinden. Blieb nur noch ein Schatten. Na, wer weiß… vielleicht verschwindet der nach der nächsten Versiegelung oder besonders intensiven Politur? Das war hier sicher hin und wieder nötig, oder?
Die ganze Prozedur dauerte vielleicht zwanzig Minuten. Gefühlt... sicher eine Stunde... Wir waren einfach gut drauf nach dieser Vorführung. Ganz nebenbei dachte ich daran, dass man als Theatergruppe mit diesem Stück zur Belustigung in Hotels überall auf der Welt auftreten könnte. Kommt sicher gut an. Hier erlebten wir es live. So also, wie es eben das Leben spielt. Komisch... und doch so verrückt und ernst.
Nun verging eine halbe Stunde, in der wir gar nichts Spannendes zu sehen bekamen. Nein, wir langweilten uns nicht. Ich versuchte, in einigen italienischen Tageszeitungen herauszubekommen, was wohl die Schlagzeilen bedeuten könnten. War nicht so einfach, denn die hatten kaum einen Hinweis mit aussagekräftigen Bildern. Schien alles genauso nichtssagend zu sein, wie unsere Boulevardpresse. Na, man gewöhnt sich an alles! Und dann…
Ja, dann hatten wir unser Traumpaar wieder.
Oh, erst erkannte ich die Beiden kaum. Gut, ihn schon. Er trug einen schwarzen Anzug und war so gekleidet, wie wir die Mafioses aus diversen Filmen kennen. Vielleicht war er eher von der anderen, der Polizeiseite? Nun, ihn konnte man schon recht gut erkennen. Schon vorhin trug er ein Jackett. Und so…
Jedoch sie…
Ja, ein Abendkleid, das eher zu einer Zwanzigjährigen passte. Die beiden mochten um die vierzig sein. Sie zeigte mehr Bein, als man normalerweise nackt zeigen kann. Damit war das Kleid natürlich verboten kurz. Es hatte einen tiefen Ausschnitt und der Rücken blieb frei. In der Farbe Rot passte es perfekt zu ihren brünetten Haaren mit dem leichten rötlichen Schimmer. Die High Heels verrieten, dass sie sich gern größer machte, als sie wirklich war. Da ihr Begleiter, Mann, Freund, was auch immer... da er nicht gerade als Erdnuckel unterwegs war, passten sie jetzt zumindest ganz gut zusammen.
Etwas schien trotzdem anders.
Ja, Ruhe, Stille herrschte.
Ich sah, dass sie etwas sagen wollte. Er warf ihr nur einen giftigen Blick zu und sie blieb stumm, stakste neben ihm her und versuchte, ganz die richtig liebe und nette Partnerin zu sein. Natürlich versuchte sie das, denn sie hatte sich vorhin mehr als daneben benommen. Auch wenn ich seine Aktion mehr als gewagt nennen würde.
Vor dem Fleck blieb er stehen. Er sah sie an und sie erkannte ihren Streitrest unter ihr. Vielleicht wunderte sie sich, dass alles schon so gut weggeräumt und gereinigt wurde. Doch eigentlich hätte sie sich eher schämen müssen, dass der Fleck entstand.
Und weil er sie noch einmal streng ansah, hatte sie nun auch etwas zu erledigen. Sie öffnete ihre Handtasche, nahm einen größeren Lire-Schein heraus und legte ihn vor einen der drei Männer auf den Rezeptionstresen. Dann sah sie alle dort mit einem gewinnenden, ebenso nach Entschuldigung heischenden Lächeln an.
Ich dachte ja eben noch, dass die Drei all dies ablehnen würden, wurde jedoch eines Anderen belehrt.
Eine Hand erschien auf dem Tresen und der Schein verschwand. Die Frau nahm das wahr und nickte nur leicht. Dann stakste sie neben ihrem Partner hinaus. Ich sah ihren Porsche stehen. Also ging es bei denen sicher auch um Geld. Vielleicht war er hier nur auf Dienstreise und sie durfte ihn begleiten? Zumindest schien er ihr unmissverständlich klar gemacht zu haben, wer das Sagen hat. Sie hatte begriffen, verstanden, eben kapiert.
Wenig später röhrte der Porsche auf.
Nein, ich habe früher nicht geglaubt, dass man sich in Motorengeräusche verlieben kann. Lustig fand ich schon diese Schallplatte mit verschiedenen Lokomotivgesängen. Und für Autos… Na ja… Was gab es denn damals für welche im Osten Deutschlands? Nicht gerade die Creme de la Creme! Doch nun…
Ein Porschemotor klingt schon anders, als der eines stinkenden Trabis. Ich musste noch einmal lachen. Ja, die Brünette traf die richtige Wahl... sie ordnete sich unter. Damit war sie als Italienerin sicher eine der wenigen Frauen, die diese Lektion in wenigen Minuten lernen musste. Wir durften Zeuge sein. Zumindest vom öffentlichen Teil dessen.Das war weitaus mehr, als nur lustig und unterhaltsam. Gerade an diesem Abend.
Nun waren die beiden weg und ich sah ein angeregtes Gespräch der Drei hinter dem Rezeptionstresen. Worum ging es denn da?
Ah, um das Geld. Es war ein großer Schein und jeder wollte einen Teil davon haben. Also plünderte man nun die Kasse, tauschte und zeterte sich, wenn auch leise, gegenseitig ordentlich voll.
Gut denn… sollen sie. Sie haben es vielleicht verdient. Zumindest hatten sie den Beiden keine Unannehmlichkeiten bereitet… das konnten die doch selbst viel perfekter, als jeder andere!
Ich lehnte mich im Ledersessel zurück. Noch eine gute Stunde… dann kam der Bus.
"Weißt Du, was mir bei den Beiden auf jeden Fall gefiel?"
Erwartungsvoll sah ich Mutti an.
"Na, die haben sich nun benommen, als wenn sie allein hier wären. Aber nicht ein einziges Mal haben sie triumphierend in die Runde geschaut. Das wäre in Deutschland sicher nicht möglich gewesen. Verrückt, nicht? Die sind jetzt im Nachtleben unterwegs. Vielleicht sind sie da gleich wieder richtig beieinander. Zumindest haben sie sich für heute nicht getrennt. Eventuell sehen wir sie dann noch wieder?"
Ja, das wäre möglich. So, wie wir die Rentner aus Hamm im Forum trafen… ja, alles ist möglich.
Ich dachte an die beiden Großenhainer. Was die wohl derzeit durchmachen? Hoffentlich ging es ihnen ein wenig besser. Zumindest einigermaßen.
"Was meinst Du, ob unsere Singles heute vielleicht einen Anschluss finden?"
Mutti sah mich groß an.
"Na, Du bist doch auch ein Single. Willst Du in Italien…?"
Nein, natürlich nicht. Aber ich bin auch kein Single. Ich habe Heike, die nur eben nicht mit ist, weil sie arbeiten muss und ich noch einmal mit Mutti unterwegs bin. Das hat sie eingesehen.
"Na, Italien ist ein schönes Land. Da können die doch ruhig mal… Nun ja… Die sind doch sicher nicht wegen der Stadt hierher gefahren, oder? Sollte mich wundern!"
Ich dachte an die beiden Mädels damals in Griechenland, die dort Mann und Arbeit suchten. Trotzdem fuhren sie schließlich frustriert wieder mit uns zurück. Vielleicht hat sich für sie etwas ergeben? Wenn jedoch, dann viel später. Nicht so schnell, wie sie es sich anfangs ausmalten. Die waren jung. Unsere männlichen Singles sind schon älter. Nicht alt, aber eben nicht mehr taufrisch. Und die Mädels… sind auch nicht die jungen, gerade volljährig gewordenen Damen der hohen Gesellschaft… oder eben angrenzender Bereiche.
Egal. Wir warteten auf den Bus und hatten immer wieder das Gefühl, dass jemand fehlte. Die Rentner freuten sich doch so sehr…
Na, wenn bei denen alles in Ordnung kommt, haben sie vielleicht noch ein paar Tage Zeit und dürfen alles auf Kosten der Gesellschaft nachholen? Ja, das wäre toll. Nur, ob die das vom Schmetterling wirklich machen?
Ah, da kommt Maria. Birgit ist vorhin nur vorbeigesaust und wollte wohl nicht auf uns achten. Aber Maria setzt sich gleich zu uns.
"Na, heute viel erlebt?"
Wir mussten erzählen und sie verbarg ihren Respekt davor nicht, was wir alles besichtigt und erlaufen hatten.
"Seid Ihr denn nicht müde? Nach so viel Lauferei?"
Tja, wenn wir erst so spät von dieser Nachtfahrt erfahren, können wir nicht unbedingt munter sein, oder? Natürlich nicht.
Gut, Maria lächelte ein wenig verlegen.
"Ich habe das ganz vergessen. Und als mich Holger heute anrief und die morgige Tour abstecken wollte, da kamen wir drauf. Er meinte, dass es einfach zu viel wird, wenn wir wirklich morgen beide Touren machen. So haben wir das kurzerhand beschlossen. Ein wenig hofften wir ja beide darauf, dass Sie alle mittags im Hotel sind. Aber Birgit meinte, dass die Ostdeutschen, und da sind ja in Ihrer Gruppe einige drin, sich meist den ganzen Tag draußen herumtreiben. Hahaha! Ich war froh, als ich nach vier Uhr erfuhr, dass alle meine Nachricht bekommen haben!"
Nun ja, war die Organisation bisher wirklich gut, so ließ das zumindest zu wünschen übrig. Andererseits hätten wir nie von diesem tollen italienischen Paar erfahren und sicher nicht gewusst, woher dieser Fleck auf dem Boden kam, wenn wir nicht hier hätten warten müssen… oder eben können.
Ich lernte einmal, man soll die Dinge positiv sehen.
"Sagt das Krankenhaus schon etwas zu unseren Rentnern?"
Maria schüttelte den Kopf.
"Birgit hat wohl mit dem Chefarzt dort Kontakt. Und Holger rief schon in Deutschland an. Die haben sich ganz schön gewundert. Bisher gab es solche Sachen noch nicht bei dieser Gesellschaft. Ich hatte schon mal einen Herzinfarkt. Nicht ich, aber ein Reisegast. Das war auch in Rom. Mitten auf dem Petersplatz brach der Mann zusammen. Ich erzählte gerade etwas über die kirchlichen Geheimbünde. Das hatte aber nichts mit meiner Erzählung zu tun. Er bekam einen Hitzschlag und sein Herz hielt nicht durch."
Maria schluckte.
"Ich habe damals eine ganze Weile gebraucht, um das zu verarbeiten. Aber schließlich sagte ich mir, dass der Mann vielleicht gerade noch das erleben konnte, was er immer sehen wollte. Damit war es vielleicht für ihn ein schöner Tod. Bei aller Tragik!"
Sie schluckte noch einmal.
Nun, bei den beiden Alten schon vom Tod zu sprechen… So schlimm steht es doch wohl nicht, oder? Vielleicht kommen wir an Birgit heran. Dann kann sie uns etwas Genaueres erzählen.
Eben fährt der Bus auf den Hotelvorplatz.
Ich wunderte mich. Wir waren doch hinter dem Hotel ausgestiegen. Und da stand Holgers Fahrzeug gestern den ganzen Tag… warum nun so?
"Ich war noch tanken. Heute musste ich. Ich habe ja gewartet, dass die Preise noch ein wenig sinken. Aber das klappte irgendwie nicht. War zwar nicht so teuer, wie in Deutschland. Aber wenn man ein paar Lire sparen kann… W äre schon gut gewesen. Hmm, hat nicht geklappt!"
In die Runde der nun schon bereitstehenden Mitfahrer rief er nun, "Na, alle wohlauf und munter?"
Ein müdes Nicken kam als Antwort.
"Oh, Prima. Das ist nicht, was ich sehen und hören wollte. Aber na gut. Sind Sie fit genug für die Fahrt? Ich denke, wir brauchen sicher an die drei Stunden. Vor Mitternacht sind wir also nicht zurück... und damit auch nicht im Bett!"
Oh weh… was hatte ich gedacht? Zwei Stunden? Na, wir machen doch keine Lichterfahrt auf einem Fluss. Wir fahren durch die Stadt, steigen sicher an ein paar Orten aus und sollen auch noch das Eine oder Andere erleben und erfahren.
Gut. Morgen…
"Ja, ich habe noch einmal nachgedacht. Wenn es Ihnen recht ist, dann starten wir morgen ins christliche Rom erst nach 11:00 Uhr. Wäre das in Ordnung? Wenn ja, kann ich gleich noch mit der Hotelleitung klären, dass Sie auch bis halb elf Frühstück bekommen. Sicher haben Sie heute noch nichts zum Abendessen…"
Doch, wir haben. Und das war auch gut so. Wenn ich das Programm höre. Mein Gott, irgendwie brachte unsere Herfahrtverzögerung wirklich einiges durcheinander. Was soll's? Wir waren hier, hatten schon einiges gesehen und wollten noch mehr erleben. Da nimmt man mehr auf sich, als eben mal ein paar Stunden... ohne Schlaf und mit viel Erkundungsstress.
Ich fühlte mich fit. Hatte ich nicht noch eine Packung Traubenzucker dabei? Weiß auch nicht… die steckt sonst immer in meiner Studientasche. Falls der Dozent mal eine unangekündigte Kontrolle schreibt… oder das Studentenleben zu weit bis in die Nacht hinein ging. Warum ich das Zeug gerade nach Rom mitgenommen habe? Egal. Ich bin froh und gebe Mutti gleich einen Riegel, esse selbst auch einen. Das macht zwar nicht richtig munter, aber glücklich.
Schon sitzen wir im Bus.
Birgit, die immer noch ein wenig unwirsch wirkt, setzt sich in die hinteren Reihen. Damit kann ich sie gleich ansprechen.
"Oh, ihm geht es schon wieder ein wenig besser. Die hoffen sogar, dass sie mit uns zurückfahren können. Aber sie haben eben fast nichts von der Stadt gesehen..."
Nun. Schade eigentlich. Und können sie nicht…?
"Habe ich ihnen angeboten. Natürlich, nachdem ich das mit Nürnberg abgesprochen habe. Aber sie wollen nicht. Vielleicht später einmal. Jetzt scheinen sie froh zu sein, dass sie beide noch leben, sich haben. Und da wollen sie lieber zurück. Obwohl ein wenig Ruhe und noch ein paar schöne Erlebnisse hier sicher eine bessere Sache wären. Sie haben sich halt so entschieden. Ich stelle es ihnen frei. Bis zu unserer Abfahrt können sie sich noch entscheiden!"
Komisch.
Na gut, ich habe die Ahnung, dass die beiden Alten einfach allein sind. Sie kennen jetzt zumindest die Leute ein wenig, die im Bus hierher mitfuhren, und jetzt sollen sie vielleicht auch noch allein zurückkommen? Keine Ahnung. Das ist mir nicht ganz klar.
"Na, machen wir uns keine Gedanken über die Anderen. Wir sind hier und denen geht es auch einigermaßen gut. Damit können wir heute Abend die Fahrt genießen. Ich bin gespannt. Von Maria habe ich mir das römische Nachtleben noch nicht zeigen lassen. Wird sicher sehr spannend. Sie lebt ja schon lange hier, auch wenn sie nicht aus Rom ist. Vielleicht hat sie darum noch viel mehr Erfahrungen und bessere Tipps für uns, als die richtigen Römer. Wäre zumindest möglich."
Birgit.
Ich konnte das Gefühl immer noch nicht loswerden, dass sie sich mit Maria zoffte und auch auf Holger mehr als nur schlecht zu sprechen war. Warum? Wollte sie nicht so, wie die es wollten, oder hatte sie einfach ein paar schlechte Tage? Na, fragen werden wir sie sicher nicht danach. Maria schien die Sache, die da irgendwie gelaufen ist, noch weitaus besser und lockerer wegzustecken, als Birgit. Und Holger… der stand mit seiner leicht arroganten Art soundso über allem? Kann sein.
Die Fahrt durch die Nacht begann...
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